„Alles nimmt langsam RTL-Niveau an“
Youtube-Videos zu produzieren ist für Lehramtsstudent Alexander aus Halle wie eine Sucht.
Ritter Don Quichotte kämpfte der Sage nach gegen echte Windmühlen, der Dunkle Parabelritter alias Alexander*, schlägt sich im Internet eher mit den sprichwörtlichen Windmühlen herum. Was genau ein erfolgreicher Youtuber über seine Arbeit zu berichten hat, erfragten student!-Redakteure Dennis Hänel und Jonas Nayda beim Interview in Halle. Der Zwanzigjährige studiert Deutsch und Geografie auf Lehramt. Er hat auf Youtube 55.000 Abonnenten, die er wöchentlich zwei Mal mit Neuigkeiten und Meinungen aus der Metal-Szene versorgt.
student!: „Der dunkle Parabelritter“ das klingt nach einem auf die dunkle Seite der Macht gewechselten Philosophen. Was steckt hinter diesem Namen?
Parabelritter: Das ist eine ziemlich peinliche Geschichte. Es war in der achten oder neunten Klasse während einer Freistunde im Mathe-Raum: Ein Kumpel und ich haben uns mit Tafelinstrumenten duelliert. Ich hatte eine Parabel-Schablone als Schild und einen Zeigestock als Schwert. Da kam mein Kumpel auf die geniale Idee, ich sei der Dunkle Parabelritter.
Beim Erstellen meines Youtube-Kanals musste ich dann wieder an den Parabelritter denken. Es ist einfach ein Name, der im Gedächtnis bleibt.
student!: Woher kommt die Idee für einen Youtube-Kanal?
Parabelritter: Ich habe das nicht einfach so beschlossen, es war eher ein schleichender Prozess. Ich hatte damals gerade eine Trennung hinter mir und entsprechend Zeit, ein bisschen Frust zu bekämpfen. Außerdem hatte ich schon immer Interesse daran, Videos zu machen. Auf dem Festival „Rockharz“ habe ich dann zufällig „iBlali“ getroffen, einen berühmten Youtuber (Anm. d. Red. zurzeit etwa 2 Mio. Abonnenten), der damals noch nicht so groß im Geschäft war. Wir haben die gleiche Lieblingsband und auf dem Festival zwei Stunden in der ersten Reihe im Duett gesungen. Beim Bierchen danach hat er mir dann seine Geschichte erzählt. Als ich merkte, dass ein ganz normaler, bodenständiger Mensch wie er Youtube-Videos machen kann, wollte ich das auch mal versuchen. Im Gegensatz zu heute fand ich „iBlali“ damals ziemlich cool.
student!: Seit Sommer 2012 gibt es deinen Kanal. Wie soll es weitergehen? Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Parabelritter: Dass ich mal 200.000 Abonnenten haben werde, kann ich mir nicht vorstellen. In der Metal-Szene kennt man mich nun, da habe ich das Potenzial wahrscheinlich ausgeschöpft. Ich weiß aber wirklich nicht, wie sich das in den nächsten Jahren noch entwickelt. Ein plötzlicher Erfolgsschub kann immer mal kommen. Zum Beispiel wenn man mit anderen berühmten Youtubern zusammenarbeitet. Ich sehe diese Abonnentenzahl nicht als ein Ziel, was ich unbedingt erreichen will.
student!: In fünf Jahren überhaupt noch Videos zu machen, das kannst du dir aber schon vorstellen?
Parabelritter: Ja, schon. Es ist für mich wie eine Sucht. Wenn ich vor dem PC klebe und auf die Videos sofort ein Feedback bekomme, wenn sich neue Ideen entwickeln. Das macht einfach Spaß.
student!: Was ist deine Zielgruppe?
Parabelritter: Eigentlich würde ich gerne alle Menschen erreichen und diejenigen bewegen, die sich darauf einlassen können. Ich möchte mit meinen Videos Menschen berühren, ihnen Anstöße geben und sie anregen. Ich will nicht nur Leute ansprechen, die schon von Metal überzeugt sind, sondern auch die, die ganz normal sind. (lacht) Das klingt unglaublich pathetisch, aber Metal ist eben ein besonderer Lebensstil. Eigentlich aber sehr geerdet. Nicht so schnelllebig, wie dieses ganze „Hipster-Zeug“. Ich fände es gut, wenn sich die Leute unabhängig von irgendeiner Szene mit meinen Videos befassen und vielleicht meinen Blickwinkel verstehen. Viele stempeln mich zum Beispiel einfach vorschnell ab, nur weil ich meine Haare lang wachsen lasse oder bestimmte T-Shirts trage. Umgekehrt gibt es aber auch in der Metal-Szene ein paar Querköpfe, die mich für einen Hampelmann halten und denken, ich würde die Szene verraten weil ich Youtube-Videos mache.
student!: Dein Lehramtsstudium steht mit deinem Youtube Kanal in keinem Konflikt?
Parabelritter: Ich mache nichts, wofür ich mich im Nachhinein schämen müsste. Von manchen meiner Videos müssen meine Dozenten aber auch nicht unbedingt etwas wissen. Dem Arbeitgeber später muss ich es vor der Einstellung auch nicht direkt unter die Nase reiben. Ich finde, mein Youtuber-Dasein hat mir bis jetzt schon wirklich viel gebracht. Ich habe persönlich viel gelernt und mich weiterentwickelt.
student!: Hast Du ein paar Worte zu anderen Youtubern?
Parabelritter: Ich folge keinem anderen Youtuber so extrem, dass ich bei jedem Upload dabei wäre. Ich nutze Youtube zum Großteil für Musik. Formate wie „LeFloid“, die News in „Bild-Manier“ präsentieren, sind mir einfach zu niveaulos. Man darf eben auch nicht unterschätzen, wie jung das Publikum bei Youtube wirklich ist. Viele sind unter 13 Jahre alt und wollen einfach andere Dinge sehen als ich. Manche Youtuber machen sich einfach nicht genug Gedanken über ihren Content. Die produzieren eine Masse an Videos, die aber keinerlei Wert besitzt. Total oberflächlich.
student!: Youtube ist Teil des riesigen Firmenkomplexes um Google. Was hast Du für Erfahrungen mit Youtube als Firma?
Parabelritter: Ich kriege natürlich ständig E-Mails, was ich verbessern könnte und ich bekam einen Schulterklopfer für die 25.000 Abonnenten-Marke. Manchmal kommen auch Anfragen von Netzwerken, die mich unter Vertrag nehmen wollen. Das hat zwar einen gewissen Reiz, weil Netzwerke eine große Unterstützung sein können in der Vermittlung von Partnern oder in der Ausarbeitung von neuen Konzepten, aber so etwas ist nicht nur Spaß, das ist knallhartes Business – meistens sind die Verträge ziemlich mies – so dass ich inzwischen aus dem Geschäft ausgestiegen bin. Ich mache alles komplett alleine.
student!: Karten auf den Tisch: Kannst du mit deinem Kanal Geld verdienen?
Parabelritter: Geld verdienen schon, aber überleben nicht. Das ist in meiner Sparte schlicht unmöglich, weil man mit Firmen zusammenarbeiten muss, die viel Geld haben, um richtig erfolgreich zu sein. Die Firmen müssten dann Videos sponsern, oder mich direkt unterstützen. In der Metal-Szene gibt es einfach kaum florierende Unternehmen. Selbst viele Metal-Bands können von ihrer Musik alleine nicht leben.
Wenn ich von meinem Kanal leben wollte, bräuchte ich ein bis zwei Partner, die in meinen Videos „Product Placement“ ermöglichen. Ein gutes Beispiel dafür sind die berühmt berüchtigten „Beauty-Tutorials“. Das ist meiner Meinung nach reines Verkaufsfernsehen und sollte auch als solches gekennzeichnet werden. Werbung an sich ist nicht verboten. Ich finde sie sogar berechtigt, bis zu dem Punkt, an dem sie den Leuten auf den Sack geht.
student!: Du selbst hast keine Sponsoren?
Parabelritter: So kann man das nicht sagen. Ich habe keine Sponsoren, die mir Geld bezahlen. Aber ich werde ausgestattet von einer Firma, mit der ich zusammenarbeite. Dort wird auch ein bisschen Merchandising von mir vertrieben, allerdings nicht profitorientiert. Dadurch wird meine Meinung nicht beeinflusst. Meine eigenen Videos sind also unabhängig und frei.
student!: Hättest du denn die Möglichkeit, etwas mehr Kapital aus deinem Kanal zu schlagen?
Parabelritter: Ich habe mal darüber nachgedacht mich von einer Biermarke sponsern zu lassen. Ich habe ein Videoformat, das durchaus davon profitieren könnte, wenn mal ein Bierchen auf dem Tisch zu sehen ist. Bislang hat sich da allerdings noch nichts ergeben.
Ich mache einfach nichts, was mir nicht gefällt. Ich verkaufe mich nicht und lasse mich nicht instrumentalisieren.
student!: Inwieweit bist du Unterhaltung und wie viel möchtest du seriöse Nachrichtensendung sein?
Parabelritter: Ich recherchiere aufwändig für meine Videos. Oft habe ich bis zu zehn Seiten Skript und viele Stunden Arbeit. Ich schreibe ja nicht nur einfach Schlagzeilen von heftig.de ab… Damit meine Nachrichten trotzdem noch ertragbar sind, versuche ich ein bisschen Witz einzubauen. Wenn es die Leute stört, sollen sie es nicht gucken. Das ist meine Meinung.
student!: Lohnt sich denn ein so großer Aufwand überhaupt?
Parabelritter: Früher habe ich teilweise wochenlang an meinen Videos gesessen, Bilder gemacht, geschnitten und mir Sachen überlegt. Wirklich viele Klicks bekommt man aber nicht durch großen Aufwand. Reißerische Überschriften lohnen sich da schon viel mehr, egal wie toll oder schlecht der Inhalt des Videos ist. Es ist frustrierend, was der Zuschauer sehen will, ist simpel: Kurzweilige Unterhaltung, Vergleiche à la „die 10 Mitschüler die jeder kennt“, interessante Themen oder besondere Phänomene und Ekelhaftes, wie Sex zum Beispiel. (lacht) Im Prinzip ist Youtube ganz einfach.
student!: Ist Youtube das bessere, oder zumindest das neuere Fernsehen?
Parabelritter: Ich habe das Gefühl, dass sich Youtube inzwischen selbst fast ins Aus geschossen hat. Es ist zwar persönlicher als Fernsehen, aber alles nimmt langsam RTL-Niveau an. Mein altes Vorbild „iBlali“ ist inzwischen für mich relativ belanglos. Ich glaube nicht, dass es ein besseres Fernsehen ist. Nur flexibler und in seiner Masse unabhängiger. Ich würde es als gesellschaftliche Entwicklung nicht überbewerten. Youtube-Videos sind häufig sehr unreflektiert und mittlerweile bin ich von der Youtube-Startseite meistens sogar angewidert.
*Nachname ist unerheblich
Fotos: privat
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