Mit Wanderschuhen quer durch Europa
„Camino de Santiago“ ist eine enttäuschende Doku über den Jakobsweg.
Zuerst war es eine religiöse Mission, doch inzwischen ist es zur Mode geworden: Der Camino de Santiago, besser bekannt als Jakobsweg, lockt jedes Jahr mehr als 200.000 Menschen aus aller Welt auf eine Reise zu sich selbst. Einige suchen die Entspannung, andere das Abenteuer oder eine spirituelle Erfahrung. An einem bestimmten Punkt kreuzen sich die Wege dieser Menschen. Der Dokumentarfilm „Camino de Santiago“ zeigt, dass es auf dem Jakobsweg um weit mehr als nur eine Pilgerreise geht. Zwischen schönen Landschaften, kulinarischen Erlebnissen und viel Musik prallen Welten zusammen: Hier treffen glückliche und tragische Lebensgeschichten aufeinander und verschmelzen auf und mit dem Weg, der längst zur Legende geworden ist.
Im Juli 2014 trat eine Schweizer Filmcrew mit einem lediglich vier Mann starken Team ihre Reise zur spanischen Westküste an, um ein paar dieser Schicksale einzufangen. Man erlebt zum einen Menschen, die ausgelaugt und Tränen vergießend im Regen stehen und andere, die sich fast meditativ und voller Freude dem Meer und somit dem Ende ihres Weges in Santiago de Compostela nähern. So trifft man unter anderem auf Pépé, der den Weg bereits zum 29. Mal geht, und auf André und Federica, ein Pärchen, das sich jeden Abend mit dem Auto nach Hause fahren lässt und am nächsten Tag weiterzieht.
Der Film beginnt durchaus stimmungsvoll mit einem Kameraflug über ein idyllisches Bergtal, durch das einige Wanderer ziehen. Es ist eine spektakuläre Naturaufnahme- leider soll es die einzige bleiben. Denn der Film wird gezwungen, sich dem Weg als solches unterzuordnen. So gleichen sich die Bilder oft sehr stark und werden von einem kitschig-volkstümlichen Soundtrack, die dem jeweiligen Land angepasst sind, untermalt. Die Gespräche mit den Pilgern, um die es ja eigentlich gehen soll, wirken merkwürdig inszeniert und sehr oberflächlich. Mehr als zwei, drei Sätze werden den Wanderern nie entlockt, bevor sie auch schon wieder aus dem Film verschwinden und ein neuer Unbekannter seine Phrase in die Kamera sprechen darf.
Durch diesen fehlenden Tiefgang, der es einem unmöglich macht, die einzelnen Motivationen und Geschichten kennenzulernen, beginnt der Dokumentarfilm schnell zu langweilen. Zwar versucht das Filmteam, die visuelle Monotonie des Wanderns aufzubrechen, doch mit Aufnahmen einer ziellos irrende Wandertruppe über einen holprigen – und wirklich unspektakulären Feldweg – gelingt das leider nicht. Die Schönheit des Weges, wie sie im Prolog angekündigt wird, wird nicht wirklich dargestellt. Schade. Dadurch ist „Camino de Santiago“ zwar eine nette Doku-Idee, hat aber aus ein paar Wanderanekdoten wenig zu bieten, was ins Kino locken würde.
Ab 4. Juni im Kino
Foto und Filmverleih: MB productions
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