„Wir hoffen, dass die Kisten reichen“
Spontane Sammelaktion für Flüchtlinge in Ernst-Gruber-Halle bringt große Resonanz.
Am Montag, den 17.8. bildeten sich lange Schlangen vor der Witzgallstraße 20 in Leipzig-Reudnitz. Doch die Menschen standen nicht um zu nehmen, sondern um zu geben. In dem Bildungsinstitut der Johanniter nahmen hunderte Ehrenamtliche seit dem frühen Morgen Sachspenden für Flüchtlinge entgegen. Anlass war das Eintreffen von 110 Flüchtlingen in der Ernst-Gruber-Halle zwei Tage zuvor.
Als die Menschen aus dem Irak, Pakistan und Syrien in der Nacht zum Samstag in der Turnhalle auf dem Campus der Sportfakultät ankamen, fanden sie lediglich dicht gereihte Feldbetten vor. Bis Freitag sei ungeklärt gewesen, wer die Zuständigkeit für die Station in der Jahnallee übernehmen würde. Dann beauftragte die Stadt Leipzig die Hilfsorganisation der Johanniter direkt für die zeitweilige Betreuung der Unterkunft. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat Leipzig.
An dem sehr kurzfristig ausgewählten Ort für das Flüchtlingslager in der Sporthalle hatte es zuvor einige Kritik gegeben. Der Judoclub Leipzig muss für ein Turnier eine alternative Halle finden und auch andere sportliche Aktivitäten können in den nächsten Monaten nicht in der Ernst-Grube-Halle stattfinden. Bei einer Pressekonferenz letzten Freitag versicherte Uni Rektorin Beate Schücking jedoch, bei der Sporthalle handele es sich nur um eine vorübergehende Interimslösung, in Leipzig gebe es viele Leerstellen, die sich langfristig besser eignen könnten. „Uns ist es wichtig, dass die Menschen sich hier aufgenommen fühlen“, so Schücking weiter. Das Studentenwerk hat außerdem angekündigt, die Flüchtlinge mit Mahlzeiten zu versorgen, die große Mensa am Sportcampus biete sich dafür gut an. Gerade im Hinblick auf den kommenden Herbst und das Wetter, will man in Leipzig Zeltstädte wie etwa in Dresden unter allen Umständen vermeiden. Da in der Ernst-Grube-Halle die Vorgaben für Brandschutz und Unterbringung von einer größeren Menschenmenge gewährleistet werden können, sei sie als erste Notunterkunft durchaus geeignet. Kleine Umbauarbeiten stellen sicher, dass es zu keinen unnötigen Beeinträchtigungen im Uni-Alltag durch die Notunterkunft kommt.
Ein Sprecher der Polizei betonte, dass Hetze gegen die Neuankömmlinge nicht toleriert werde. Die Polizeipräsenz auf der Jahnallee ist in diesen Tagen erhöht. Ebenfalls sollen permanent anwesende Security Mitarbeiter für Sicherheit sorgen.
Die Anwohner der Jahnallee wurden per Briefeinwurf über die aktuellen Umstände informiert, Spenden für die Flüchtlinge sollen allerdings nicht direkt zur Halle gebracht werden, da es dort an Räumlichkeiten zur Lagerung fehlt. Deshalb wurde die Sammelstelle in der Witzgaller-Straße eingerichtet.
„Ich bin freudig überrascht, wie viele Menschen Spenden bringen. Bis 18 Uhr ist die Annahme ausgeschrieben, aber ich rechne fest damit, dass es länger dauern wird“, meint Kay Setzepfand, einer der Ehrenamtlichen vor Ort. Er habe gestern von Freunden erfahren, dass helfende Hände bei der Spendenannahme gebraucht werden. Kofferweise wurden Kleidungsstücke, Spielzeug und Hygieneartikel angebracht. Erst einen Tag zuvor war eine Liste mit den benötigten Gegenständen, zusammen mit einem Hilferuf, in den Verteilern ehrenamtlicher Netzwerke, Zeitungen und auf Facebook veröffentlicht worden.
„Es gibt unheimlich viel spontane Hilfe“, berichtet Matthias Köhler, der sich bei den „Jusos“, der Jugendorganisation der SPD, engagiert und darüber von der Aktion erfahren hat. „Einige, die hier helfen, sind Menschen, die selbst etwas vorbeigebracht haben. Sie sind direkt geblieben, um mit anzupacken.“ Köhler betont die Wichtigkeit der Sachspenden und damit die Hilfe der Bürger und Freiwilligen: „Kaum einer der Flüchtlinge hat viel Gepäck dabei und in einer Turnhalle gibt es nun mal keine Waschmaschine.“
Die ersten Dinge wurden noch am selben Tag in die Jahnallee gebracht.
In einer zentralen Sammelstelle in der Witzgallstraße werden die restlichen Spenden sortiert und je nach Bedarf zugeteilt. Termine für zeitnahe weitere Sammelaktionen werden in den nächsten Tagen bekannt gegeben.
Bis zum Ende der Woche sollen etwa 400 weitere Flüchtlinge ihr Quartier in der Sporthalle beziehen. Im Moment ist der Aufbau von Sanitärcontainern eine wichtige Aufgabe. Das Deutsche Rote Kreuz und das Technische Hilfswerk sind daran beteiligt.
Für die derzeit laufenden Prüfungen der Sportstudenten und die regulären Sportkurse suche man derweil alternative Hallenkapazitäten. In einer Stellungnahme fasst der Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakultät, Martin Busse, diese Situation zusammen: „Unsere Schwierigkeiten stehen ganz sicher in keinem Verhältnis zu den existenziellen Problemen der Betroffenen. Diese benötigen jetzt vor allem eins – das Gefühl willkommen zu sein.“
Autoren: Sophia Neukirchner und Jonas Nayda
Fotos: Sophia Neukirchner, Jonas Nayda und Luise Bottin
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.