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  • Disneys kleine Einführung in die Psychologie

    „Alles steht Kopf“ erweckt auf der Leinwand und beim Zuschauer Emotionen zum Leben.

    Seit Ankündigung des neuen Pixar-Films „Alles steht Kopf“ macht sich das Internet augenzwinkernd über die Erfolgsformel des Animationsstudios lustig. Denn Pixars Ansatz, jeder erdenklichen Sache Gefühle und somit Menschlichkeit zu verleihen, macht mittlerweile vor gar nichts mehr Halt. Es begann mit Spielzeug in „Toy Story“, ging von Käfern („Das große Krabbeln“) über Autos („Cars“) und Fische („Findet Nemo“) bis hin zu Robotern („Wall-E“). Jetzt, in „Alles steht Kopf“, sind die Gefühle selbst der Star. Willkommen zur Einführung in die Psychologie à la Disney! Die Stimmen in jedermanns Kopf sind die Emotionen Freude, Kummer, Ekel, Angst und Wut. Sie sitzen in der Steuerzentrale des Verstandes und verwandeln Tag für Tag das Erlebte in Erinnerungen. So ist es auch im Kopf der elfjährigen Riley. Das aufgeweckte Mädchen liebt Eishockey und Blödeleien, Freude ist ihre beherrschende Emotion. Doch als sie mit ihren Eltern in die Großstadt zieht, ist nichts mehr so unbeschwert wie vorher. Zeitgleich mit den schwierigen äußeren Veränderungen geht auch in Rileys Kopf einiges schief. Beim Versuch, das Mädchen aufzuheitern, werden Freude und Kummer aus dem Kontrollzentrum in das Langzeitgedächtnis katapultiert. Von dort müssen die beiden Rileys gesamte Psyche durchqueren, um das Chaos in ihrem Kopf zu beseitigen.

    Die Thematik ist dankbar und ergiebig, was Pixar in viele tollkühne Ideen umzusetzen weiß. „Alles steht Kopf“ sprüht vor witzigen Einfällen zu alltäglichen Dingen, die wir uns manchmal nicht erklären können. Warum bleiben von mehreren Jahren Klavierunterricht zum Beispiel nur der „Flohwalzer“ und „Für Elise“ hängen? Schuld sind die sogenannten „Vergesser“, die im Langzeitgedächtnis aufräumen und Überflüssiges aussortieren. Oder was ist eigentlich der Grund dafür, dass das nächtliche Kopfkino so oft unsinnige Träume zeigt? Wahrscheinlich sind die Laienschauspieler in den Traumstudios überfordert.

    Wie bei Disney üblich werden auch immer wieder Gags für Erwachsene untergebracht. Dass durch das Rattern im Gedankenzug Meinungen und Fakten durcheinander geraten, sei ganz normal, erklärt beispielsweise Rileys imaginärer Freund Bing-Bong in einer Szene. Den allergrößten humoristischen Coup landet der Film aber mit den kurzen Einblicken in die Köpfe von Rileys Mitmenschen. Bei der Darstellung der menschlichen Psyche hat Regisseur Pete Docter versucht, die richtige Balance zwischen Realitätsnähe und Verständlichkeit zu finden. Er schickt Freude und Kummer unter anderem auf die Reise durch das Fantasieland, das Abstrakte Denken, zu den Persönlichkeits-Inseln von Riley und in ihr Unterbewusstsein. Den Jüngsten könnten Aufbau und Zusammenhänge des Verstandes trotzdem etwas zu schwierig erscheinen. Sie werden sich dafür eher an der abenteuerlichen Odysee der Emotionen erfreuen, während hingegen den erwachsenen Zuschauern die Tiefgründigkeit des Films bewusst wird.

    Alle inneren und äußeren Turbulenzen in „Alles steht Kopf“ sind letztendlich nämlich nur Metapher für den größten aller Umbrüche: die beginnende Pubertät. Und so ergibt auch das simple Ausgangssetting, über das man sich zu Beginn noch wundern kann, schließlich seinen Sinn. Neben dem ganzen Spaß lässt der Film auch die Emotionen des Zuschauers nicht unberührt. Das beginnende Ende von Rileys Kindheit geht logischerweise mit vielen Verlusten – seien es alte Freunde oder alte Interessen – einher und das drückt heftig auf die eigene Tränendrüse.

    Mit „Alles steht Kopf“ ist Pixar ein wirklich kreativer Film für fast jede Altersgruppe gelungen, der gleichzeitig nostalgisch und fröhlich macht. Irgendwie schwingt aber auch das Gefühl mit, dass nicht alle Ideen des Films ausgereizt und konsequent zu Ende gedacht wurden. „Alles steht Kopf“ erreicht vielleicht nicht Pixars Königsklasse wie etwa „Oben“ oder „Toy Story“, doch ist in jedem Fall sehenswert.

    Ab 1. Oktober im Kino

    Foto und Filmverleih: Walt Disney/Pixar 

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