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  • „Ein Lindenberg ist mir lieber als 1.000 Bohlens“

    Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel bevorzugt Musik mit Inhalt.

    Die Prinzen sind eine der erfolgreichsten deutschen Bands der letzten 25 Jahre. Frontsänger Sebastian Krumbiegel geht regelmäßig montags in Leipzig auf die Straße, um gegen Rassismus zu demonstrieren. Im deutschen Fernsehen ist er in der Sendung „Sing meinen Song“ zu sehen. Sein Problem mit Rechtsradikalen, seine Musikerkarriere und seine Haltung zu Urheberrechten erläutert er im Gespräch mit student!-Redakteur Jonas Nayda.

    student!: Was ist Ihre Motivation bei „Sing meinen Song“ aufzutreten? Entspricht das Ihrem eigenen Standard?

    Krumbiegel: Das Konzept der Sendung ist wirklich gut. Es ist echte Musik und kein Voyeurismus wie etwa in einer der bekannten, einschlägigen Cas­ting-Shows.

    student!: Wie hat sich die Musikbranche in den letzten 25 Jahren verändert?

    Krumbiegel: Das Internet hat alles verändert. Die große Diskussion über Raubkopien und Urheberrechte ist für mich ganz eindeutig: Für Künstler ist es ungeheuer wichtig, dass es die Gema gibt, die versucht die Urheberrechte wahrzunehmen. Wenn ein Musiker oder ein Komponist seine Arbeit nicht honoriert bekommt, wird die Kultur versiegen. Es wäre tragisch, wenn die Musik den Bach herunter geht, weil Künstler ihre Arbeit nicht bezahlt bekommen.

    Früher war nicht alles besser, es war nur anders. Unsere Gesellschaft ist heute durch die Me­dien geprägt. Angefangen hat es wahrscheinlich im dritten Reich mit dem Volksempfänger, der natürlich der Pro­paganda diente. Heute sind wir diese Medien gewohnt und gefährliche Inhalte kommen immer wieder hoch. Wenn ich Musiker in meinem Umfeld unterschwellig rassistische Äußerungen machen höre, versuche ich dazwischen zu grät­schen.

    student!: Wie ist in diesem Zusammenhang Ihr Verhältnis zu Xavier Naidoo, Ihrem Kollegen aus der Sendung „Sing meinen Song“, der wiederholt mit Weltverschwörungstheorien und Auftritten bei Ver­anstaltungen rechtsradikaler Gruppierungen auffiel?

    Krumbiegel: Ich habe mit Xavier lange darüber gesprochen und ihm versucht klarzumachen, dass ich seine Aktionen problematisch finde. Er muss aufpassen, auf welche Bühnen er geht, vor wessen Karren er sich spannen lässt. Xavier ist definitiv kein Nazi. Ich habe ihn als einen charmanten, weltoffenen Mann kennen gelernt und möchte ihn wirklich nicht in die Pfanne hauen. Ich glaube aber, dass er nicht sieht, welche Fehler er macht. Das habe ich ihm in der letzten Staffel von „Sing meinen Song“ sogar gesagt. Allerdings wurde das bis auf den Satz ‚Eigentlich sind wir einer Meinung‘ wieder komplett he­rausgeschnitten.

    Ich bin immer dafür, mit Menschen direkt zu reden und nicht über sie. Trotzdem würde ich nicht ge­mein­sam mit jemandem Musik machen, der zu Gewalt gegen Aus­länder aufruft. Aber so ein Mensch ist Xavier nicht.

    student!: Haben Sie persönlich Erfahrungen mit Rechtsradikalen gemacht?

    Krumbiegel: Zurzeit machen wir alle Erfahrungen mit Rechtsradikalen. Zwar sind nicht alle Menschen, die bei Pegida oder Legida mitlaufen echte Nazis, aber sie laufen rechtsradikalen Ideen hinterher. Das muss den Beteiligten klar sein.

    Vor einigen Jahren wurde ich von zwei Nazis körperlich angegriffen. Logischerweise war das keine so schöne Erfahrung. Ich habe aber auch vorher schon meine Standpunkte vertreten gegen diese völkischen und gestrigen Ansichten.

    Der aktuell aufkommende Nationalismus befremdet mich extrem. Des­halb gehe ich so oft ich kann montagabends auf die Straße um dagegen klare Kante zu zeigen. Friedlich natürlich.

    student!: Kann Musik politisch sein?

    Krumbiegel: Alles was man macht, ist irgendwie politisch. Musik kann als Mittel zum Zweck benutzt werden. Die 68er-Bewegung beispielsweise hat mit ihrem Lebensstil ein ganzes Jahrzehnt geprägt. Daraus wurde dann so etwas wie der Soundtrack einer Zeit.

    ‚Liebe, Frieden und Respekt‘ lautet auch meine Devise. Das versuche ich in meine Musik zu verpacken.

    Aber Musik muss nicht unbedingt politisch sein. Sie kann auch vollkommen unwichtig sein. Obwohl manche Musiker sehr erfolgreich sind, können sie doch im Grunde vollkommen belanglos sein. Ein Lindenberg ist mir lieber als tausend Dieter Bohlens.

    student!: Was ist Ihnen bei Musik wichtiger: Der Text oder die Melodie?

    Krumbiegel: Bei Musik allgemein sind erst mal die Melodie und die Harmonien das Wichtigste. Bei Popmusik ist das anders. Sie hat viel mit In­halten zu tun. Mit persönlicher Haltung. Ich glaube, dass Popmusik immer durch Texte lebt. Durch das, was erzählt wird.

    student!: Kann man mit Musik auch ohne speziellen Text eine Haltung ausdrücken?

    Krumbiegel: Ja klar, da bin ich mir sicher. Musik ist eine international verständliche Sprache. Ich bemerke es an mir selber: Ich höre von Bach bis Rammstein die unterschiedlichste Musik. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen Unterhaltungsmusik und ernster Musik. Kirchenmusik hat die Men­schen früher genauso unter­hal­ten wie Popmusik heute. Es ist wichtig zu bedenken, dass in Unterhaltung das Wort ‚Haltung‘ steckt. Richard Wagner vertritt eine andere Haltung als Johann Sebastian Bach. Trotz Wagners antisemitischer Texte lehne ich seine Musik nicht ab. Man muss das Werk vom Urheber losgelöst betrachten.

    student!: J. S. Bach hat all seine Werke Gott gewidmet. Für wen machen Sie Ihre Musik?

    Krumbiegel: Ich bin da ziemlich egoistisch, denn am Ende mache ich es für mich alleine. Ich mache einfach gerne Musik.

    Musik ist für mich wie eine zweite Fremdsprache. Seit meiner Kindheit schon. Als Thomaner bin ich natürlich mit Bach groß geworden. Früher habe ich Cello gespielt, dann Trompete und schließlich Schlagzeug. Das wollten meine Eltern damals allerdings nicht auch noch finanzieren. Also musste ich meine wertvollen Queen-Platten, die ich von den Westreisen des Thomanerchors mit­gebracht hatte, verkaufen, um mir mein eigenes Schlagzeug leisten zu können. Während des Studiums ging es dann mit den Prinzen los und die Dinge nahmen ihren Lauf.

    student!: Wie lange machen Sie noch Musik?

    Krumbiegel: Wir machen weiter, solange wir noch zucken. Wir feiern jetzt 25-jähriges Bestehen der Band. Untereinander kennen wir uns aber schon viel länger. Ich jedenfalls kann nicht aufhören. Mein Traum ist es, Musik zu machen, bis ich sterbe. Von mir aus auf der Bühne umzufallen.

    student!: Hätten Sie am Anfang Ihrer Karriere gedacht, einmal so erfolgreich zu sein?

    Krumbiegel: Seit ich 15 Jahre alt war, wusste ich, dass ich Musik machen will. Ich war immer sehr von mir überzeugt.

    Ein Freund erzählt gerne die Geschichte, wie ich in einer Vorstellungsrunde zu Beginn mei­nes Studiums erzählt hätte, ich würde eines Tages reich und berühmt werden. Dass dazu enormes Glück gehört, habe ich erst im Laufe der Zeit erfahren. Wir waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Leuten.

    Abend für Abend vor tausenden Menschen zu spielen macht etwas mit einem. Man denkt, man sei unbesiegbar und es würde immer so weiter gehen. Ohne einen gewissen Größenwahn klappt das nicht.

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    Foto oben: tine & acke

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