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  • Negatives Résumé für die gute Sache

    Die Demonstrationen am 12. Dezember gegen rechte Gruppierungen enden in Chaos und Gewalt.

    „Es ist schade, dass die Polizei so weiträumig abgeschirmt hat und so keinen friedlichen Protest in der Nähe der Nazis zugelassen hat. Das widerspricht der Leipziger Protestkultur“, resümiert Linken-Politikerin Juliane Nagel die gestrigen Demonstrationen in der Leipziger Südvorstadt. Während Protesten von rechten und linken Gruppierungen ist es dort am Samstag zu massiven Ausschreitungen und Gewaltübergriffen gekommen.

    Als Mitte November die drei rechts-orientierten Initiativen „Die Rechte“, „Offensive für Deutschland“ und „Thügida“ einen Sternenmarsch im links-alternativen Connewitz anmeldeten, war klar, dass das  nicht frei von Gegendemonstrationen bleiben und schon gar nicht in friedlichen Demonstrationszügen enden würde (student! berichtete). Während das Ordnungsamt die gewünschten Routen der rechten Gruppierungen erst genehmigte, wurde noch vergangene Woche, aufgrund einer erhöhten Gefahrenprognose, in den Kooperationsgesprächen seitens der Polizei eine Routenänderung erwirkt. Vom Versammlungsort, rund um die „Distillery“ auf der Kurt-Eisner-Straße Höhe Altenburger Straße, verlief die Strecke über die Kurt-Eisner-, Arthur-Hoffmann-Straße, zur Arndtstraße und wieder zurück. Zehn Gruppierungen von Gegeninitiativen hatten Kundgebungen, rund um die rechte Demoroute und in Connewitz, angemeldet. student!-Redakteure waren dabei und haben den Demonstrationstag begleitet. Aus den unterschiedlichsten Perspektiven berichten wir in Text und Bild von den Ereignissen.

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    Bereits um 11.30 Uhr treffen sich die Anhänger studentischer Initiativen am Uni-Campus für die „gemeinsame Anreise nach Connewitz“. Obwohl sie friedlich gegen den Rechtspopulismus demonstrieren, werden bereits gegen den Studentenzug Pfefferspray eingesetzt. Es sollte nicht der einzige Einsatz dieser Art der Polizei bleiben.

    Obwohl sich die Demonstrationsrouten auf die Parallel- und Seitenstraßen der Karl-Liebknecht-Straße fokussieren, kam es dort kurz nach 13.00 Uhr, noch vor Beginn der einzelnen Kundgebungen, zu einem Übergriff von etwa 300 schwarz-vermummten Menschen. Vom Südplatz kommend stürmt der schwarze Pulk in Richtung Connewitz, ohne Rücksicht auf Hindernisse: Straßenschilder werden umgeworfen, Stühle und Bänke der angrenzenden Cafés mitgezogen, die Schaufensterscheiben der „Hanseatic Bank“ und anderer Geschäfte werden massiv eingeschlagen. Mehrmals sind Knalle zu hören. Der wütende Mob hat freie Bahn. Die Polizei reagiert erst spät – aber mit Härte. Wenige Minuten später werden die Demonstranten unter Einsatz von Tränengas wieder zurück gedrängt.

    Noch unbeirrt laufen die Menschen zu verschiedenen Kundgebungsorten, um den rechten Demonstranten Parole zu bieten. Unter anderem rief „Leipzig nimmt Platz“ zur Zusammenkunft an der Ecke Bernhard-Göring-Straße/Arndtstraße auf, Die „Linke“ versammelte sich an der Kreuzung Arthur-Hoffmann-Straße/Scharnhorststraße. Linkspolitiker Volker Külow appelliert an die Demonstranten, friedlich und gewaltfrei zu protestieren. Auch der Stura der HTWK und das „Werk 2“ hatten zu Kundgebungen gegen Rassismus und für Toleranz aufgerufen. Doch anstelle von Demonstranten fanden sich am Kreuz Besucher des Weihnachtsmarktes zusammen. Die Connewitzer Kulturfabrik hat die Kundgebung kurzfristig abgesagt, da die Menschen nun dorthin gehen könnten, wo der Protest wichtiger sei – in die Südvorstadt. Entgegen anfänglicher Befürchtungen, der Markt habe unter den Demos zu leiden, konnte hier in weihnachtlich-besinnlicher Atmosphäre gemütlich über den Markt geschlendert werden.

    Unterdessen formieren sich in der Leipziger Südvorstadt sowohl Demonstranten der rechten Gruppierungen, als auch die Gegenprotestler. Auf der Strecke der Rechten DSC_0007kommt es zu einer friedlichen Sitzblockade: Um 13.50 schaffen es etwa 20 Menschen rund 45 Minuten die Wegstrecke der Demonstranten rund um Silvio Rösler zu blockieren. „Mir bringt das mehr, als mich hinter den Zaun zu stellen und nur zu rufen“, berichtet eine Demonstrantin der Sitzblockade. Als sie von einem Polizisten zurück an den Kundgebungsort der Partei „Die Linke“ gebracht wird, ertönt Applaus.

    Mit einer 40-minütigen Verspätung beginnen die etwa 200 rechts-sympathisierenden Protestierenden um 14.40 Uhr ihre knapp 600 Meter lange Route gen Arndtstraße. Vereinzelt schmücken bunte Transparente, die sich gegen die Rechten richten, den Weg. Ex-Legida-Chef Rösler macht immer wieder lautstarke Ansagen und rief bei seiner Abschlusskundgebung zum Widerstand linker Meinungsmache auf. Jedoch, so Rösler, „Nicht weil wir etwas gegen andere Länder haben, sondern weil wir unser Vaterland lieben.“ DSC_0069

    Rund 1.000 Polizisten sind an diesem Tag in Leipzig im Einsatz. Eingekesselt und abgesperrt von möglichen Gegendemonstranten, werden die Demonstranten der rechten Gruppen an ihr Ziel gelotst. Die vielen hundert Menschen auf der Kundgebung der Linken rücken zusammen, drängen nach vorne bis an die Straßenabsperrung und geben durch lautstarke Sprechgesänge und Pfeiffkonzerte ihrer Wut und dem Unmut gegenüber den Rechtsgesinnten Ausdruck. „Haut ab, haut ab!“, klingt es immer wieder im unisono. „Ich verspüre schon eine gewisse Wut, wenn wegen so ein paar Menschen, solch ein krasser Aufwand betrieben werden muss“, erzählt Caspar, der auf der Kurt-Eisner wohnt und an die Arthur-Hoffmann-Straße gekommen ist.

    Kurz vor Ende der Route werden an der Ecke Arndtstraße Nazi-Rufe wie „Knüppel aus dem Sack, auf das linke Lumpenpack“ laut. Die Rechtsextremen machen sich auf den Rückweg. Nun wird es unübersichtlich. Kurz nach 15 Uhr kommt es zu Übergriffen der Gegendemonstranten gegenüber der Polizei, die die zwei Lager trennt. Steine werden geworfen, die Polizei setzt Wasserwerfer und Tränengas ein.

    Unterdessen nehmen auch auf der Karli die Proteste immer mehr zu. Unkoordiniert und ohne Ziel strömen die Demonstranten in Richtung der Hauptstraße. Sowohl auf der Höhe der Kurt-Eisner-, wie auch Arndtstraße steigen tief-schwarze Rauchwolken auf. Überall werden Tränengas-Schwaden sichtbar. Immer wieder rennen Schwarzvermummte durch die MeDSC_0049ngen, werfen wahllos mit Steinen auf Schaufenster. Sogar unter den Gegendemonstranten kommt es zu Anfeindungen. „Hört auf, das ist doch genau das, was die Nazis wollen“, appellieren die einen Protestler gegen die anderen – die schwarz gekleideten. Immer noch brennen die Barrikaden. Die Polizei setzt wiederholt Wasserwerfer, Reiz- und Tränengas ein, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Fernab vom Chaos auf der Karli kündet der Ex-Legida-Chef an: „Wir kommen wieder.“

    Die Ausschreitungen haben sich mittlerweile auf die August-Bebel-Straße ausgeweitet. Bis in den späten Nachmittag findet die Gewalt und das Chaos kein Ende.

    Wie Juliane Nagel verurteilt auch Oberbürgermeister Burkhard Jung die Gewalttaten: „Diese Gewalt von Anarchisten und so genannten Autonomen ist schockierend. Hier waren Kriminelle am Werk, die vor nichts zurückschrecken. Das ist offener Straßenterror.“ Der friedliche Protest für Offenheit und Toleranz wird in den Schatten gestellt, denn es ist eine negative Bilanz, die am Ende des Demonstrationstages steht: Rund 40 Demonstranten wurden verletzt, 50 Menschen in Gewahrsam genommen, 69 verwundete Polizisten und ein noch nicht einschätzbarer Wert an Sachbeschädigung-

    Mitarbeit: Sophia Neukirchner, Samantha Pradella, Maria-Louise Nitschke und Lukas Grebe

    Fotos: Elisabeth Platzer

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