Große Gefühle und elegante Verführung
„Carol“ ist ein intensives Drama und ein heißer Oscar-Kandidat.
New York in den 1950er Jahren: Therese Belivet (Rooney Mara) arbeitet als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung eines Warenkaufhauses und träumt von einem Leben als Fotografin. Als ihr durch die Kundin Carol Aird (Cate Blanchett) mehr Beachtung als sonst üblich zuteil wird , fühlt sich die junge Verkäuferin zur ihr hingezogen. Die beiden Frauen beginnen, immer mehr Zeit miteinander zu verbringen. Dabei entwickelt Therese starke Gefühle für Carol – sehr zum Missfallen von deren Mann Harge (Kyle Chandler).
In der sich anbahnenden Beziehung zwischen Carol und Therese sieht er nun eine Chance, seinen verletzten Stolz zu rächen, unter welchem er leidet, seit seine Frau eine Affäre mit ihrer besten Freundin Abby (Sarah Paulson) einging. Unter Anführung ihres erneuten „unsittlichen Verhaltens“ versucht er, Carol das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter zu entziehen. Alles, was er dazu braucht, sind handfeste Beweise für die geheime Liebschaft der beiden. Harge zieht alle Register und engagiert einen Privatdetektiv, den er auf Therese und Carol ansetzt.
Mit „Carol“ hat Regisseur Todd Haynes das Buch „Salz und sein Preis“ der amerikanischen Autorin Patricia Highsmith verfilmt, welches sie 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan herausbrachte. Unter dem neuen und schlichten Titel feierte seine Verfilmung auf den Cannes Filmfestspielen 2015 ihre Weltpremiere und wurde hochgelobt von Presse und Medien. Und das nicht ohne Grund.
Denn bei „Carol“ stimmt einfach alles. Kostüm, Szenenbild, Maske und Schnitt – alles scheint aufeinander abgestimmt und vervollständigt das harmonische Gesamtbild dieses wunderbaren Films. Unterlegt mit stimmungsvoller Musik, entfaltet sich „Carol“ zu einem atmosphärisch dicht gewebten Drama, welches besonders durch die Beziehung zwischen Therese und Carol glänzt.
Denn auch ohne die Küsse und Zärtlichkeiten, die erst gegen Ende des Films zwischen den beiden Frauen ausgetauscht werden, ist ihre Liebe wohl intensiver als in vielen anderen Liebes-Filmen. Was sich zwischen ihnen entwickelt, ist eine Beziehung, die sich vor allem über Andeutungen, Blicke und sanfte Berührungen trägt. Sehr selten sieht man in Filmen eine so leise und doch gelungene Intensität.
Therese ist ein einfaches Mädchen in Wollpullovern und groben Lederstiefeln, sie wirkt oft kindlich naiv und ist besitzt einen Blick für den richtigen fotografischen Moment. Im Vergleich zu der Gesellschaftsdame Carol, deren kühle Schönheit durch Seidenkleider, Perlenketten und elegante Frisuren unterstrichen wird, erscheint sie wie aus einer anderen Welt. Die dadurch entstehenden Ungleichheit des Paares irritiert zu Beginn etwas, doch die großartige schauspielerische Leistung beider Frauen vertreibt anfängliche Zweifel.
Besonders Cate Blanchett, die Carol in ihrem Schmerz aus zerbrochener Ehe, verbotener Liebe und Angst um die Tochter zeigt, ist wahrhaft überragend. So kristallisiert sich immer stärker das Bild einer Gesellschaft heraus, in dem sich die wahre Liebe gleichgeschlechtlicher Menschen nur über Illusionen und Wunschdenken halten kann. Denn gerade der Wunsch nach kompromissloser Zuneigung und das Gefühl von Einsamkeit verbindet beide Frauen.
Auch deshalb ist „Carol“ ein wunderschöner Film über Sehnsucht, Verlust und das Wunder der Liebe, wie es ihn lange nicht gegeben hat. Ein sehr starker Oscar-Kandidat!
Ab 17. Dezember im Kino
Fotos und Filmverleih: Wilson Webb / DCM
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