Buchmesse Leipzig 2016 Teil 3
Neuer Rekord bei der Leipziger Buchmesse - student! zieht Bilanz und stellt lesenswerte Bücher vor.
Teil 3
Nach einem ereignisreichen Wochenende voll von Bücherstapeln der verschiedensten Genres, Lesungen, Diskussionen rund um Neuerscheinungen oder einem Abstecher in die Welt der Mangas und Co. haben wir für Euch nun die wichtigsten Infos zur Leipziger Buchmesse 2016 zusammen gestellt.
An allen vier Tagen strömten Besuchermassen ins Messegelände, sodass mit 195.000 Gästen ein neuer Rekord zu verzeichnen ist. Eine große Auswahl an Ausstellern aus 42 Ländern präsentierten dem Publikum der Leipziger Buchmesse, der Leipziger Comic-Con und des Lesefestes „Leipzig liest“ in allen Facetten das Beste rund um das Buch. Insgesamt feierten in der ganzen Stadt, im Rahmen des Lesefest „Leipzig liest“, 260.000 Besucher. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 9.000 mehr Teilnehmende. An 410 Orten auf dem Messegelände wie auch im gesamten Stadtgebiet fanden 3.200 Veranstaltungen statt, zu denen neben Literaten auch Illustratoren und Musiker zu Begegnungen und Gesprächen einluden. Das Lesefest feierte in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen.
Themenschwerpunkt Zuwanderung und Integration
In diesem Jahr setzte die zweitgrößte Buchmesse Deutschlands auch ein politisches Zeichen. Mit dem Programmschwerpunkt „Europa 21 – Denk-Raum für die Gesellschaft von morgen“ diskutierten im „Café Europa“ internationale Gäste, Journalisten und Künstler über Zuwanderung und Integration. Den Verantwortlichen der Leipziger Messe sei es wichtig gewesen, die aktuelle Debatte zu versachlichen und in fairen Diskussionen neue Blickwinkel zu eröffnen. Die freie Meinungsäußerung sei dabei das wichtigste Anliegen der Veranstalter gewesen. „Die freie Rede ist nicht selbstverständlich, der eigene Geburtsort ein Zufall und die viel beschworenen europäischen Werte werden stetig hinterfragt: Die Leipziger Buchmesse erwies sich erneut als Ort des Diskurses und Hort der Meinungsfreiheit“, resümiert Buchmessedirektor Oliver Zille.
Preise der Leipziger Buchmesse
Als wichtiger Branchentreffpunkt gehören inzwischen auch zahlreiche renommierte Auszeichnungen zum Buchmessestandard. Eine sieben-köpfige Jury aus namhaften Journalisten und Literaturkiritkern ehrte Gruntram Vesper im Bereich „Belletristik“ für sein knapp 1.000 Seiten starkes Buch, in dem er die Geschichte seiner Geburtstsstadt und dem Leben dort im 20. Jahrhundert erzählt. Als „ein Museum, ein Archiv, ein Lebenswerk“ wird es von der Fachjury betitelt, die mit dem Preis auch die über sechsjährige Zeit des Schaffens des 75-Jährigen honoriert. Im Bereich „Sachbuch/Essayisitik“ wurde der Philiosoph Jürgen Goldstein für sein Buch „Georg Forster – Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ ausgezeichnet, das eine Hommage an den Entdeckungsreisenden, Naturbetrachter und Revolutionär Forster des späten 18. Jahrhunderts darstellt. Auf 301 Seiten deute der Autor das anthropologische Lebenswerk eines Mannes, dessen Denken durch seine bahnberechenden Reisen unmittelbar geprägt worden sei, so die Begründung der Jury. In der Kategorie „Übersetzung“ erhielt Brigitte Döbert für ihre Übersetzung des serbischen Buches von Bora Cosic „Die Tutoren“. Ein avantgardistisches Werk, welches von den Wortspielen und dem experimentellen Umgang mit Sprache lebe, was Döbert im Auge der Jury gelang in die Übersetzung mitaufzunehmen.
Einen noch nicht vollends renommierte Auszeichnung, dennoch wichtig, ist der Preis zum „Ungewöhnlichsten Buchtitel des Jahres“. Hierbei erhält die einfallsreichste, kreativ-komischste und kurioseste Titelkreation des vergangenen Jahres eine Auszeichnung. Unterstützt von der Mayerschen Buchhandlung entscheidet ein Zusammenschluss aus Buch-Magazin und Community „Was liest Du?“ über die Peisträger. 13.750 registrierte Mitglieder sowie eine Jury aus fünf Mitgliedern der Branche entschieden sich mit 16,96 Prozent für „Aufgeben ist keine Lösung – außer bei Paketen“ von dem Poetryslammer Patrick Salmen und Quichotte. 111 Rätselgeschichten beinhaltet das Büchlein, deren Leerstellen mit Begriffen rund um das Leben hinter und vor der Kamera zu füllen sind. Das verzweifelte Rätselgesicht ist vorprogrammiert. Auch der zweitplatzierte Buchtitel erfüllt seine Anforderungen zu Genüge: „Eine Rolle Klopapier hat 200 Blatt. Warum ist keins mehr da, wenn man es am dringendsten braucht? Das Leben in Textaufgaben“ von Raymund Krauleidis.
Abschließend eine Auswahl der Bücher, die fester Bestandteil der Gespräche in Buchmessekreisen waren und um die man in den kommenden Monaten nicht vorbei gehen sollte, ohne mindestens eines davon in die Hand zu nehmen.
Fotos: Maximilian Schmidt
student! empfiehlt drei Bücher / Bücherempfehlungen
Mit ihrem Roman „#regretting motherhood – Wenn Mütter bereuen“ spricht die israelische Autorin Orna Donath ein Thema an, das zwar nicht in der hiesigen Gesellschaft, doch aber in Israel zu einem Tabuthema gehört: Eine Mutter, die bereut Mutter geworden zu sein. Dem Buch liegt eine Studie zugrunde, in der die Soziologin Donath mit 23 Frauen über ihre Muttergefühle gesprochen hat. Auf 272 Seiten thematisiert die Autorin ihre Ergebnisse und kritisiert damit auch eine Gesellschaft, in der Frauen in ihrer Funktion als Mütter eine ,vorgeschriebene‘ Erfüllung finden sollten. Das Buch ist beim Knaus Verlag erschienen.
Heinz Strunk gehörte mit seinem Buch „Der goldene Handschuh“ zwar zu den Nomininierten für den diesjährigen Buchpreis, am Ende hat jedoch ein Lebenswerk gesiegt. Dennoch ist Strunks Roman ein lesenwertes und eindrucksvolles Beispiel, historische Fakten und Ereignisse in einen spannenden Roman einzuweben. Das Buch erzählt die Geschichte von Fritz Homka, der in Hamburg der 70er Jahren zahlreiche Prostituierte ermordete, die er vor dem Mord stets in die Absturzkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ in St. Pauli führte. Laut der Jury des Leipziger Buchmessepreises sei es Schriftsteller und Musiker Strunk gelungen, eine kunstvolle Sprache zu finden, um von den Abgehängten der Gesellschaft zu erzählen. Erschienen ist das Buch im Rowohlt Verlag.
Ein Buch nicht nur für die Philosophen unter uns ist die Neuerscheinung „Resonanz“ von Hartmut Rosa. Auf schlappen 816 Seiten versucht der Jenaer Soziologe der Funktion und der Formel des akustischen Metapher auf den Grund zu gehen. „Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“, leitet der Autor in das Werk ein. Nicht die Entschleunigung steht der Beschleunigung demnach gegenüber, sondern vielleicht die Resonanz. Rosa beschreibt diese als ein Verhältnis der Verbundenheit mit der Umgebung und dem Mensch und macht in dieser Schrift, genau wie einige seiner Vorgänger, Annäherungsversuche an die Erklärung eines „guten Lebens“. Mit welchen Experimenten er das versucht und warum schließlich jeder etwas aus dem Buch in das aktuelle gesellschaftliche Leben einbringen kann, ist in „Resonanz“ von Hartmut Rosa nachzulesen. Es ist beim Suhrkamp Verlag erschienen.
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