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    Lost Place „Bowlingtreff am Leuschnerplatz“ braucht neue Zukunftsaussichten.

    Staubkörner tanzen im Licht, das durch die zugewucherten Fenster in die zwei großen Hallen fällt. Spinnweben hängen von den hohen Decken, unter denen unzählige Stufen einer alten verfallenen Steintreppe tief unter den Wilhelm-Leuschner-Platz führ­en. Langsam schwenkt die Kamera durch dunkle Räume, die einst die erste und größte Bowlingbahn der DDR beherbergten. Angesichts solcher Bilder, die in der Dokumentation „Bowlingtreff“ aus dem Jahr 2015 zu sehen sind, scheint es heute fast undenkbar, dass sich unter dem verfallenen und zugenagelten Gebäude ein Vergnügungsort befunden haben soll.

    Erstmals in der DDR
    Als Schwarzbau, ohne Erlau­bnis oder Finanzierung der DDR-­Regierung, öffnete der „Bow­­lingtreff am  Leuschnerplatz“ 1987 erstmals seine Türen. Auf den weitläufigen Fun­damenten eines Elektrowerkes war der Bau von Architekt Winfried Sziegoleit ent­worfen und mit Spenden­gel­dern finanziert worden. Sziegoleit hatte sich durch seine Kreation des Gewandhauses auf dem Augustusplatz bereits als mutig und innovativ bewiesen und war die erste Wahl für das gewagte Projekt. Nach seiner Fertigstellung zog das postmoderne Bauwerk durch seine äußere und innere Einzigartigkeit schnell Massen von Besuchern an. Denn den Bewohnern der damals recht ramponierten Messestadt war Ablenkung mit westlichem Flair sehr willkommen. Der neue Vergnügungsort sorgte so mit seinen 14 Bowlingbahnen, Billardtischen, Computerspielen, Fitnessräumen, Restaurant und einem Café im Eingangsbereich vor allem moralisch für Aufschwung und war immer gut besucht.

    Das Innenleben des Bowlingtreffs von 1987 Foto: M. Bertram

    Das Innenleben des Bowlingtreffs von 1987 Foto: M. Bertram

    So erinnert sich Ines Schulz aus Leipzig noch an ihren ersten Besuch im Bowlingtreff: „Kurz nach der Wende war ich zum ersten Mal mit Arbeitskollegen dort und fand es toll. Die Halle hatte einen besonderen Charme, den man in Anlagen von heute nicht mehr findet und auch die zentrale Lage war ideal.“ Wie sie haben viele Leipziger nur gute Erinnerungen an den Bowlingtreff und können sich nicht erklären, wie es nach nur zehn Jahren zur Schließung des modernen und imposanten Gebäudes kommen konnte.
    Seit 1997 steht der einstige Vorzeigebau leer, von dem überirdisch nur die Eingangshalle und ein paar Überdachungen zu sehen sind. Wie viele Unternehmen fiel auch der Bowlingtreff dem Fall der Mauer wirtschaftlich zum Opfer und wird nun von Jahr zu Jahr zusehends maroder, was eine Renovierung nur noch auf­wän­diger und teurer macht.
    Die erste Initiative zur Rettung oder zumindest Erinnerung an den Bowlingtreff folgte zehn Jahre nach seiner endgültigen Schließung. Annette Men­­­ting, Architektur-Professorin der HTWK Leipzig organisierte 2007 mit ihren Studenten in den Hallen des Bowlingtreffs die Jahresaustellung der Fakultät unter dem Motto „bowling together“. Nach langer Zeit wur­de der zugemauerte Eingang geöffnet und der vergessene Ort wieder mit Menschen gefüllt.
    Das so wiedergewonnene Interesse an diesem Lost Place bewegte die Kulturstiftung Leip­zig dazu, sich des Projekts anzunehmen und Pläne für dessen Zukunft zu entwickeln. Die erste Idee war der Umbau zum „Kulturzentrum Mitte“. Der damalige Präsident Walter Christian Steinbach erklärte 2008: „Bei Reduzierung der Bowlingbahnen könnten auch Räume für Ausstellungen, darstellende Kunst und Musik entstehen.“ Dieser erste Plan scheiterte jedoch schon nach wenigen Jahren durch den Mangel an Geld und Unterstützern.
    2014 kam erstmals die Idee auf, den denkmalgeschützen Bau als neuen Standort für das Naturkundemuseum in Betracht zu ziehen. Wolfgang Hocquél, der damalige Geschäftsführer der Kulturstiftung  setzte sich besonders dafür ein und hielt den Bau als „die reifste Leistung der ostdeutschen Postmoderne“, ideal für die museale Nutzung. In der Tat ist auch das Naturkundemuseum am Goerdelerring durch Platzmangel und Verfall schon seit Jahren ein Problembau, da auch dieses Gebäude denkmalgeschützt ist und eine komplette Entkernung nötig wäre.
    Noch im selben Jahr scheiterte jedoch auch dieser Plan an zu hohen Umbaukosten, die sich diesmal auf fast 20 Millionen Euro belaufen sollten. Daraufhin kam ein weiteres Mal die frühere Idee der Nutzung als Kulturzentrum ins Gespräch, die auch Wolfgang Hocquél mittlerweile für eine „interessante Alternative“ hielt. Das Hin und Her um den eigentlich so ideal gelegenen Bau begann also von Neuem, bis sich im letzten Jahr die Stadt selbst des Problems annahm.
    Mit der Gewissheit, dass kein noch so schöner Plan ohne die finanzielle Unterstützung eines Inverstors zu verwirklichen sein würde, hatte die CDU-Stadtratsfraktion bereits im Dezember 2014 einen Antrag auf die Ausschreibung zum Verkauf des Bowlingtreffs eingereicht. Dieser wurde im letzten Oktober schließlich von der Stadtverwaltung bewilligt. Motiviert war der Antrag besonders dadurch, dass eine Entscheidung über die Immobilie eine „Initialzündung für den Wilhelm-Leuschner-Platz“ bedeuten kön­­­n­te.

    Ursprünglich ein Elektrizitätswerk Foto: Archiv Kulturstiftung

    Ursprünglich ein Elektrizitätswerk                     Foto: Archiv Kulturstiftung

    Der Platz ist trotz seiner früheren Bedeutung als Handels­fläche seit Jahren ungenutzt und wurde erst vor einigen Monaten durch den Bau des City-Tunnels wieder zum Teil hergerichtet. Geplant ist auf dem Westteil vorerst die Nutzung für Veranstaltungen, um den Markt und den Augustusplatz bei Bedarf zu entlasten. Im Ostteil soll auf den erhalten gebliebenen Lagerräumen wieder eine große Markthalle entstehen, wie es sie bis zum zweiten Weltkrieg gegeben hatte.
    Da für diese hochtrabenden Pläne jedoch noch das Geld fehlt, wäre ein Investor für den Bowlingtreff der erste Schritt zu weiteren Unterstützern. Anfang dieses Jahres wurde die Immobilie endlich zum Verkauf angeboten, durch die extrem ho­hen Renovierungskosten na­türlich nur für den sym­bo­li­schen Euro. Angeblich soll es sogar schon Interessenten geben, doch noch äußerte sich die Stadtverwaltung nicht offiziell dazu.

    Ein neuer Club
    Am wahrscheinlichsten und zeitgemäßesten wäre auch laut Stadträtin Sabine Heymann die Nutzung des Gebäudes als Musik-Club. „Für junge Leute, die auch mal laut sein wollen, fehlt es an geeigneten Orten für Veranstaltungen“, formuliert sie und in der Tat spräche Vieles für diese Idee. Neben der direkten Anbindung an den Nahverkehr, die geräumigen vier Untergeschosse und dem hippen retro-flair wären auch Lärmbeschwerden (ein lästiges Problem der Leipziger Clubszene) im ehemaligen Bowlingtreff hinfällig.
    Wie Olaf Doehler, jetziger Geschäftsführer der Kulturstiftung Leipzig betont, ist und bleibt es jedoch wichtig, „Interesse an solchen Projekten zu zeigen und sich stark zu machen, damit die Dinge endlich in Gang kommen.“ In der Doku „Bowlingtreff“, die bei der DOK im Oktober Premiere feierte, kann jeder Interessierte einen Blick in diesen Lost Place riskieren, ohne sich straf­bar zu machen. Mit etwas Glück gelingt es vielleicht schon bald ihm eine neue Zukunft zu geben.

     

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    Artikelfoto: Marie Zinkann

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