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  • Auf die Plätze, fertig, streiten!

    Die letzte Runde der „Zeit“ Debatten 2015/16 findet dieses Wochenende in Leipzig statt.

    Zu streiten scheint auf den ersten Blick nie die optimalste Form der Gesprächsführung zu sein. Von den im Streit hochkochenden Gefühlen getrieben, wird man schnell impulsiv, unbedacht, handelt und urteilt zuweilen irrational und unfair. Doch das ist nur ein Bruchteil der Wahrheit, denn ein Streit ist vor allem eins: Kommunikation. Eine Form der Kommunikation, in der man sich eine Meinung bildet, begründet und verteidigt.

    Gibt man einem Streit also klare Regeln, entwickelt sich daraus schnell eine geordnete Debatte, in der die Redner einander mit Respekt entgegentreten und Uneinigkeiten solang erörtert werden, bis eine Entscheidung gefunden wurde.

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    Beim Debattieren kommt es auch auf Körpersprache an

    Insbesondere in einer Demokratie wird der Streit so zu einem der wichtigsten Mittel des öffentlichen Lebens und wer sich darin besonders sicher bewegen will, der übt das Streiten lieber früh. So wie dies zum Beispiel die Mitglieder von „Streitpunkt Leipzig“ tun, dem studentischen Debattierclub der Universität Leipzig. Seit der Gründung 2003 treffen sich die Kommilitonen wöchentlich, um in gemeinsamer Diskussion ihre rhetorischen Fähigkeiten zu verbessern. „Ich glaube jetzt, dass es weniger darum geht, die ‚richtige‘ Meinung zu haben, sondern vielmehr darum, das richtige Werkzeug zu haben, um ein Thema zu analysieren“, erklärt Philip, Student der Politikwissenschaften. „Ich kann jetzt viel entspannter und selbstbewusster durchs Leben gehen, ohne dass ich zu jedem Thema eine vorgefertigte Meinung haben müsste.“

    Tatsächlich muss in einer Debatte der thematisierte Streitpunkt stets von allen Seiten beleuchtet werden. Aus diesem Grund schreiben auch die beiden wichtigsten Regelwerke des deutschsprachigen Hochschuldebattierens, der British Parliamentary Style und die Offene Parlamentarische Debatte, vor, dass sowohl eine Pro- als auch eine Kontra-Fraktion gebildet werden müssen. Wer welche Seite zu vertreten hat, entscheidet hierbei das Los. Als Redner müsse man sich auch in Denkweisen hineinversetzen, mit denen man im Alltag kaum Berührungspunkte habe, so Medizinstudentin Pune. „Genau das kann sehr spannend sein und einen selbst inspirieren, weiterzudenken und sich in andere Menschen, deren Werte und  Einstellungen hineinzuversetzen.“

    Jede Fraktion bekommt eine festgeschriebene Vorbereitungszeit, bevor es wechselseitig ans Rednerpult geht. Erlaubt ist dann fast alles. Der Stil ist dem Redner freigestellt. Wortmeldungen aus dem Publikum sind erlaubt, müssen aber nicht beachtet werden. Wieviele Minuten jeder Redebeitrag dauern darf, ist je nach Format unterschiedlich. Üblich sind oft sieben Minuten. Jede Partei versucht mit Worten und Argumenten den Gegner zu verunsichern oder auszukontern und damit eine Jury zu beeindrucken.

    Die „Zeit“ Debatte in Leipzig

    Neben den wöchentlichen Treffen gibt es wohl keine bessere Möglichkeit sein Können auf die Probe zu stellen und zu verbessern, als durch die Teilnahme an Turnieren. Diese unterscheiden sich nicht nur vom Format sondern zuweilen auch stark von der Thematik. „So gibt es neben konventionellen Turnieren, die ein breites Spektrum an Themenbereichen abdecken, auch thematisch enger gestrickte wie das Geschichtsturnier in Potsdam“, erklärt Medizinstudent Andreas.

    Ein Höhepunkt des Debattierens an Hochschulen ist die große und renommierte Turnierserie der „Zeit“ Debatten, deren letzte Station der Saison 2015/16 vom 06. zum 08. Mai Leipzig sein wird. Über 150 Teilnehmer aus rund 70 Debattierclubs Deutschlands und den deutschsprachigen Regionen Europas sollen sich zusammen finden, um drei Tage lang zu diskutieren. „Das ist unfassbar anstrengend und unfassbar bereichernd“, kommentiert Andreas, der bereits an vielen verschiedenen Turnieren teilgenommen hat. Auch die Ehrenjury, welche die beste Finalrede küren wird, setzt sich jedes Jahr aus bedeutenden Persönlichkeiten zusammen. Für die „Zeit“ Debatte in Leipzig werden diese Rolle Politikerin Marianne Birthler, Journalist und Bundesbeauftragter Roland Jahn, Universitätsrektorin Professor Beate Schücking und Pfarrer Christoph Wonneberger innehaben.

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    Typische Szene aus einem der wöchentlichen Treffen

    Nachdem „Streitpunkt Leipzig“ bereits an der Organisation mehrerer Turniere beteiligt war und 2015 den „Millennium Cup“ ausrichten durfte, entschied sich der Dachverband deutscher Debattierclubs im letzten Jahr für das Konzept der Leipziger. „Was wir uns nun davon versprechen, die „Zeit“ Debatte auszutragen, ist, selbst einmal ein großes Projekt anzugehen, im Club mit engagierten Menschen zusammenzuarbeiten und der Szene etwas zurückzugeben“, sagt Andreas. „Dazu kommt, dass so ein Projekt zu organisieren auch recht viel Freude bereitet. Man freut sich im Team über gemeinsame Erfolge – beispielsweise großzügige Sachspenden, die man klargemacht hat – und motiviert sich gegenseitig“. Da bereits der etwas kleinere „Millenium Cup“ vergangenes Jahr ein großer Erfolg war und von der Freien Debattierliga sehr positiv bewertet wurde, sind die Ansprüche hoch gesteckt für die „Zeit“ Debatte. Der Spaß am Diskutieren und der Austausch mit anderen stehen jedoch nach wie vor im Vordergrund. Außerdem ist es Tradition in der „Debattierszene“, dass der Club, der Gastgeber ist, kein Team auf dem Turnier stellt. So können sich die Leipziger ganz auf die Organisation konzentrieren.

    Perspektivisch möchten die Mitglieder von „Streitpunkt Leipzig“ das Debattieren in Leipzig stärken und mehr Fachrichtungen in ihrem Club vereinen. „Wir hoffen, dass die „Zeit“ Debatte unserem Club einiges an Aufmerksamkeit bringt“, so Phillip. Letztlich handele es sich um eine einzigartige Möglichkeit, bei der man schnell und nachhaltig lerne, zu argumentieren und seine Gedanken zu strukturieren, betont auch Andreas. So warten weitere Ideen auf ihre Realisierung: Professoren-Debatten, Debattierseminare, gemeinsame Turnierfahrten und vieles mehr ist in Planung.

    Das Finale der „Zeit“ Debatten findet statt am 8. Mai um 14 Uhr im Salles de Pologne, Hainstraße 18.
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    Fotos: Streitpunkt Leipzig

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