Jesus ist in den Osten eingezogen
student! berichtet vom Katholikentag - Wie reich ist die katholische Kirche?
Wer in diesen Tagen durch die Leipziger Innenstadt spaziert, wird umringt sein von Menschen, die grüne Tücher um den Hals tragen, von Menschen, die an den öffentlichen Plätzen singen, tanzen oder auch beten.
„Seht, da ist der Mensch“ – so ist das Motto des Katholikentages, der am Mittwochabend auf dem Leipziger Marktplatz seinen Auftakt gefeiert hat. Zu der großen Eröffnungsparty kamen Tausende – rund 50.000 Besucher werden in den kommenden Tagen für das christliche Großevents erwartet.
Der Papst sendet Videobotschaft zur Eröffnung
Mit einer Videobotschaft des Papstes wurde bereits am Mittwochabend ein besonderer Akzent gesetzt. In deutscher Sprache rief das katholische Kirchenoberhaupt neben einem friedlichen Miteinander, Solidarität mit Alten, Kranken und Flüchtlingen auch zu mehr Umweltbewusstsein auf. Genau diese Themen werden Inhalt an den vier Tagen Katholikentag sein.
Das friedliche Miteinander war bereits am ersten Abend in den Gassen rund um den Augustusplatz zu spüren. Vom Gospelchor, über die traditionelle Musik der Sorben, bis hin zu rockiger Straßenmusik – die Musik und auch die kulinarischen Leckereien der einzelnen Kirchen aus dem Bistum Dresden-Meißen sorgten für eine leicht-lockere Stimmung unter den Besuchern.
Inhaltlich wurde die 100. Veranstaltung dieser Art am gestrigen Donnerstag eröffnet. Die Stände der „Kirchenmeile“, auf der sich an verschiedenen Orten rund um die Innenstadt die vielseitigen Initiativen und Organisationen wie auch internationalen Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche vorstellen, geben einen Einblick in die Arbeit katholischer Vereinigungen. Die katholische Kirche möchte nicht mehr mit „verstaubt“, „altmodisch“ und „eingeschlafen“ assoziiert werden. Beispielhaft ist dafür die „Steyler Bank“ zu nennen. Das Geldinstitut mit christlichen Wurzeln setzt auf Umweltschutz, investiert nur in nachhaltige Unternehmen und setzt sich für soziale Gerechtigkeit und gegen Ausbeutung von Menschen ein. „Wo Geld Gutes schafft“, lautet ihr Motto.
Wie viel Reichtum tut gut?
Ob das Geld der katholischen Kirche Gutes schafft und ob es richtig eingesetzt wird, stand am gestrigen Nachmittag in der Arena Leipzig zur Diskussion. Auf dem Podium debattierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kirche zum Thema „Reichtum verpflichtet – Zum verantwortlichen Umgang der Kirche mit ihrem Vermögen“. Moderator Joachim Frank stellte gleich zu Beginn fest, dass die Frage, ob die katholische Kirche reich ist, evident sei. Das Motto verrate bereits ihre vermögende Stellung.
Als Vertreterin des Staates war Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles eingeladen. In einem Eingangsstatement stellte sie klar, dass für sie Reichtum mit Freiheit einhergehe und in einem Sozialstaat, in welchem wir leben würden, eine solche auch Verantwortung bedeute.
Die Diskussionsrunde schnitt einen Themenbereich an, der zum einen sehr komplex und undurchsichtig ist und zum anderen für die katholische Kirche immer noch ungewohnt und unangenehm in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch der Katholikentag soll für Veränderung, Miteinander und auch Offenheit stehen. Man wolle den Glauben leben, aber auch verantworten. Verantwortung bringe Reichtum mit sich, das war für alle Gäste in der Runde obligatorisch. Dr. Thomas von Mitschke-Collande, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), räumt ein, dass in Zukunft die Einkommensverteilung die Kirche mehr beeinflussen werde, als es der Missbrauchsskandal getan habe. „Wir brauchen eine totale Transparenz über das Vermögen“, fordert Mitschke-Collande. Das ZdK-Mitglied ist für kritische Äußerungen bekannt. 2012 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Schafft sich die katholische Kirche ab?“ und fordert nun ein Umdenken, vor allem bei den kirchlichen Amtsträgern. Für die praktische Umsetzung seiner Forderungen schlägt er das so genannte „Budgetrecht“ vor, nach dem gewählte Gremien über das kirchliche Vermögen verfügen sollen. Es sei wichtig zu erfahren, wie reich die katholische Kirche wirklich ist und dafür müssten demokratische Grundwerte zunehmend verwirklicht werden, so Mitschke-Collande.
Bildung als Schlüssel zu mehr Reichtum
Die Eindrücke aus internationaler Sicht bietet an dieser Nachmittagsdiskussion Bruder Jean Paul Muller. Der Geistliche ist Generalökonom der „Salesianers Don Boscos“ und in Rom tätig. Für ihn ist Bildung das Problem, wie auch die Lösung. „Wir kämpfen mit einem Problem der Vergangenheit“, so Paul. Auch er ist für ein Umdenken und weist darauf hin, dass es heute nicht einfach ausreichen würde, Geld zu spenden, sondern man müsse auch die Wirkung der Spenden, etwa des Euros, in den jeweiligen Ländern verfolgen und unterstützen. Mit Papst Franziskus sieht er diesen Weg realistisch: „Ich bin ganz froh, dass wir diesen Papst haben“, sagt er.
Große Verantwortung im Bildungssektor sieht auch der Ökonom und Unternehmer Andreas Barner. Der Chef des Pharmaunternehmens „Boehringer Ingelheim“ sieht nur in gleichen Bildungschancen die langfristige Möglichkeit, Menschen aus der Armut zu holen. Er setzt dabei auf den Zusammenschluss von Politik, Unternehmen und Kirche.
Das Kleid, was wir tragen, ist viel zu groß
Auch der Generalvikar des Bistums Münster, Norbert Kleyboldt, sieht im Reichtum der katholischen Kirche Verantwortung. Besonders die sozialethischen Grundsätze der katholischen Kirche würden das verlangen. Der Stellvertreter des residierenden Bischofs und Verwalter des Bistums hat jedoch eher die nationalen und lokalen Verpflichtungen im Blick. Vor allem für die Mitarbeiter seines Verwaltungsbezirkes müsse Sicherung geschaffen werden, damit diese nach beamtenähnlichen Verträgen bezahlt werden können.
„Reichtum verpflichtet!“ bedeutet für Keyboldt vorab Rückstellungen zu bilden für schlechtere Zeiten. In die Zukunft blickend, sieht der Geistliche den Reichtum der katholischen Kirche bedroht. Diskussionen für eine Abschaffung der Kirchensteuer sind nicht neu. „Wenn ab heute kein Cent mehr gezahlt werden würde, könnten wir bis 2040 die Renten bezahlen“, gibt es stolz zur Kenntnis.
Der Grundtenor der Gesprächsrunde ist im Wortlaut zwar der Gleiche, doch in der Umsetzung werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Generalvikar Keyboldt, der Ökonom Barner und ZdK-Mitglied Thomas von Mitschke-Collande setzen eher verstärkt auf lokale und regionale Schwerpunkte: „Das Vermögen muss stärker dort verteilt werden, wo Kirche stattfindet – in den Gemeinden“, antwortet Mitschke-Collande auf eine Publikumsfrage. Die anderen Gesprächspartner ziehen den Radius der Verantwortung indes etwas größer: Die Bundesarbeitsministerin möchte verstärkt europäische Standards umsetzen, vor allem im Arbeitsmarkt. Ein Sonderprogramm der EU, das bereits seit drei Jahren läuft, stehe auf der Agenda. Ein Förderungsprogramm, das der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien, Griechenland oder Portugal entgegen wirken soll. Früchte getragen habe das Programm bisher aber noch nicht. Weiter appelliert sie an die Kirchenvertreter, einen allgemeinen Tarif „Soziales“ zu entwickeln, der für eine Angleichung der Löhne in den sozialen Berufen festgelegt werden soll.
Die Podiumsdiskussion hat gezeigt, dass das Umdenken in der katholischen Kirche bereits eingesetzt hat, die Lösungsvorschläge jedoch noch nicht konkret auf einen Nenner gebracht werden können. Aller Anfang ist schwer – auch mit Gotteshilfe.
Fotos: Elisabeth Platzer
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.