„Der Weltmeister wird im Winter gemacht“
Die Leipziger Kanuten Jan Benzien und Franz Anton treten bei Olympia an. (lange Version des Interviews)
student!-Autor Max Krause hat die beiden amtierenden Kanuslalom-Weltmeister Jan Benzien und Franz Anton zum Interview getroffen. Sie sprachen über die bevorstehende Olympiateilnahme vom 5. bis 21. August in Rio de Janiero im Zweier-Kanu, den Druck der auf ihnen lastet und darüber, dass Training nicht an Sonnenschein gebunden ist.
student!: Kanuslalom ist eine Randsportart. Was hat euch zum Kanusport gebracht?
Anton: Ich bin auf dem Dorf groß geworden, da gab es nicht viel. Also habe ich sehr oft Computer gespielt. Dann hat meine Mutti in der Zeitung vom Schnupperkursangebot des Kanuvereins in Meißen gelesen und mich hin gebracht. Ich hatte Spaß und bin geblieben.
student!: Wie kann man euren Sport Menschen erklären, die noch gar nichts darüber wissen?
Benzien: Erst einmal: Kanu ist der Oberbegriff. Der wird unterteilt in Kanadier und Kajak. Wildwasserstrecken sind etwa 270 Meter lang mit meistens 25 hängenden Toren, die entweder mit der Flussrichtung oder dagegen befahren werden. Bei Berührung bekommt man zwei-, fährt man an einem Tor vorbei sogar 50 Strafsekunden. Am Ende gewinnt die schnellste Zeit.
student!: Kann man mit einem Partner auf eurem Niveau in einem Boot fahren, zu dem man keine freundschaftliche Bindung hat?
Benzien: Nein. Ich glaube das ginge nur kurzfristig. Auf lange Zeit wird das nicht erfolgreich sein. Es ist schwierig, weil du so viel auf einander hängst: Du wohnst in einem Zimmer, trainierst jeden Tag zusammen. Nicht nur im Boot, sondern auch im Kraftraum. Wenn du Pech hast, sitzt du auch im Flieger nebeneinander (lacht).
student!: Wie oft trainiert ihr außerhalb des Kanus?
Anton: Das ist abhängig von der Jahreszeit. Es gibt für Sommersportarten den Spruch, dass der Weltmeister im Winter gemacht wird. Im Winter muss man die Grundlage säen von der man im Sommer zehren kann. Wir sind zu der Zeit täglich im Kraftraum.
student!: Im Winter geht ihr im Neoprenanzug bei minus fünf Grad ins Wasser. Macht das Spaß?
Anton: Das hält sich in Grenzen. So lang du dich bewegst, ist das noch angenehm. Das Problem ist das Stillstehen, weil du warten musst. Damals als Kind im Trainingslager hatten wir noch nicht so viel Ausrüstung zum Wechseln. Wenn die Sachen nicht schnell trocken geworden sind, warst du gezwungen, nasse Sachen anzuziehen. Wenn man dann in eine halbgefrorene Hose oder Oberteil muss, zeigt sich, wer wirklich will!
student!: In eurem Sport gibt es eine Abhängigkeit vom Trainingsgelände. Welche Vorzüge bietet da gerade Leipzig für euch?
Benzien: Man fängt als Kind meistens in kleinen Vereinen an und sucht sich dann später einen Standort, der größer ist, mit besseren Trainern und einer guter Infrastruktur. Wir haben uns da für Leipzig entschieden. Die Stadt ist aus unserer Sicht perfekt, mit dem Kanupark in Markleeberg, dem Olympiastützpunkt und dem Sportinternat in dem wir beide gewohnt haben. So gesehen hat Leipzig einfach die beste Infrastruktur für uns, auch außerhalb des Trainingskanals.
student!: Für Franz ist es die erste Olympiateilnahme, wie habt ihr auf seine Qualifikation reagiert?
Anton: Die Erlösung, als wir unten ins Ziel kamen und wussten, dass wir jetzt das Ticket sicher haben, war sehr groß.
Benzien: Da ist sogar sein Vater ins Wasser gesprungen!
Anton: Seit der Quali verläuft die Vorbereitung ganz normal weiter, wie vor jedem anderen Wettkampf. Vor Ort in Rio wird dann mit Sicherheit nochmal mehr Anspannung kommen, wenn man merkt, dass man nun wirklich an den Olympischen Spielen teilnimmt.
student!: Wie bereitet ihr euch auf den Parcours vor?
Anton: Wenn Samstag der Wettkampf ist, bekommen wir den Kurs Freitagabend zu sehen. Dann wird der Kanal einmal angemacht, damit alle Bootskategorien einmal durch fahren können. Das machen Testfahrer, die am Wettkampf nicht teilnehmen. Die zeigen uns nur, dass es möglich ist. Das war´s.
student!: Das heißt, euer erster Lauf auf dem Kurs ist gleich entscheidend?
Benzien: Ja. Deshalb fahren wir jetzt schon oft nach Rio, um zu sehen: Wie hängt mein Boot in dieser oder jener Welle? Wie muss ich welches Kehrwasser anfahren? Ich glaube viele Leute können sich nicht vorstellen, wie viel ein Athlet täglich leistet, trainiert und sich quält, bevor es zum Wettkampf geht.
Anton: Viele können den Aufwand nicht richtig einschätzen. Für sie klingt es toll, dass wir jetzt zwei Wochen in Rio waren.
Benzien: In dieser Zeit hatten wir jedoch nur einen Tag frei. Es wäre schön, wenn unsere Trainingswoche nur 40 Stunden hätte.
student!: Was ist euer Ziel für die Olympischen Spiele oder gilt für euch am Ende das Motto „dabei sein ist alles“?
Benzien: Das Schlimme ist, dass wir letztes Jahr Weltmeister geworden sind, sodass mehr von uns erwartet wird, als nur dabei zu sein.
Anton: Es wäre sehr schön, wenn wir zu den Spielen die Leistung zeigen, die wir im Training abrufen konnten. Die Platzierung kommt dann automatisch, aber über eine gelungene Leistung kann man sich schon freuen.
Titelfoto: Franz Anton
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