• Menü
  • Kultur
  • Glücklich sind die, die noch suchen

    Mit „Candide oder die letzte aller möglichen Welten“ laden die Cammerspiele erneut zum Sommertheater in der Galerie KUB.

    Schön ist es in Saxonia, vor allem auf Schloss Thunder-Then-Tronck, wo Candide, der illegitime Neffe des Barons den ganzen Tag am liebsten nur tanzen möchte. Die Bewohner Saxonias haben ihre Welt zur besten aller möglichen erkoren und falls jemand Rückfragen dazu hat, kann Hausphilosoph und Propagandaprofessor Pangloss mit weit ausholenden Gesten und hochtrabenden Worten alles ganz logisch erklären. In Saxonia gilt der Optimismus als Staatsphilosophie und der Einzige, der trotz all der Glückseligkeit immer noch nach dem Krieg vor der Haustür fragt ist Carabo, der aus Eldorado entführte Wilde am Hofe des Barons.

    Schnell wird klar, dass das diesjährige Sommertheater der Cammerspiele nicht, wie in Voltaires Novelle von 1759, ausführlich die abenteuerliche Weltreise des naiven Candide schildert. Den Fokus legt das Regieduo Rico Dietzmeyer und Dorothea Wagner vielmehr auf präzise Milieuschilderungen der drei unterschiedlichen Welten, die Candide und Carabo auf ihrer Suche nach Glückseligkeit erleben, nachdem sie vom Hofe des Barons in Saxonia fliehen müssen.

    Voltaires ursprüngliche Kritik an der unverbesserlich optimistischen Weltanschauung von Leibnitz wird durch die Inszenierung von Dietzmeyer und Wagner ebenfalls nur am Rande aufgegriffen. Thematisiert wird vielmehr der zwanghafte Drang zur stetigen Selbstoptimierung und Profitsteigerung, der den Figuren besonders in Neu Saxonia begegnet, einer Welt die sich der unsrigen erschreckend ähnlich gestaltet. Durch die Infragestellung des bedingungslosen Egoismus drehen Dietzmeyer und Wagner den Blickwinkel und rücken mit ihrer Inszenierung wiederum Voltaires Forderungen in die Kritik.

    Mit der Sommertheaterproduktion „Candide oder die letzte aller möglichen Welten“ bieten die Cammerspiele Unterhaltung auf gewohnt hohem schauspielerischem Niveau zwischen Monty-Python-Slapstick und sächsischem Realismus. Die Inszenierung kommt ohne viel Deko und Technik aus, wirkt trotzdem verspielt und modern und ist hierdurch vor allem eins: zugänglich für jedes Publikum. Das karge Bühnenbild sowie ein Minimalsatz an Requisiten lässt in den Vordergrund rücken, worauf es bei dieser Inszenierung ankommt, und das ist unumstritten die Spielweise der sieben Darsteller und Darstellerinnen. Durch ausdrucksstarke Mimik, akrobatischen Körpereinsatz und immer wieder Mut zur wortlosen Komik überzeugen ohne Ausnahme alle Schauspieler, die mit durchdringenden Blicken auch das Publikum mit in das Geschehen einbeziehen. Ein weiterer Blickfang sind die von Henrike Katharina Fischer angefertigten Kostüme, die der Inszenierung dezenten Glanz und jedem weiteren Figuren- oder Ortswechsel einen gewissen zusätzlichen Witz verleihen.

    Und diesen Witz brauchen wir Zuschauer auch, denn während Candide und die anderen Figuren auf ihre jeweilige Weise in einer Welt voller Schlechtigkeiten liebenswert und tollpatschig nach Glück suchen, wird immer deutlicher, dass unsere tatsächliche Welt nicht die beste, dafür jedoch die letzte aller möglichen zu sein scheint.

     

    Galerie KUB, Kantstraße 18

    Weitere Spieltermine:

    27. bis 30. Juli – jeweils 19:30 Uhr

    3. bis 6. sowie 12. und 13. August– jeweils 19:30 Uhr

    Kartenreservierung unter: 0341/3067606

    Flattr this

    Foto: Anne Schädel

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.