„Äkschn, Äkschn, Äkschn“
Leipziger Autor Clemens Meyer (r.) stellt sein Buch zu den Frankfurter Poetik-Vorlesungen vor.
Kaum ein Autor wird wohl eine so diverse Zuschauerschaft versammeln können, wie er. Kurzsichtige Rentner in den ersten Reihen, dazwischen ergrauende Hipster in Cardigans, weiter hinten interessierte Jugendliche haben sich am Mittwoch den 26. Oktober im großen Saal des Haus des Buches versammelt. Eine der ersten Veranstaltungen des Leipziger literarischen Herbstes war die Vorstellung der verschriftlichen Frankfurter Poetik-Vorlesungen, die Clemens Meyer letztes Jahr unter dem Titel „Der Untergang der Äkschn GmbH“ gehalten hat.
Die Darbietung war eine Mischung aus nettem Gespräch zwischen dem Autor und seinem Freund Claudius Nießen, dem Geschäftsführer des deutschen Literaturinstituts, und fieberhaftem Vortrag, wenn Meyer etwas aus seinen Vorlesungen zum Besten gab. Direkt zu Beginn knallte Clemens Meyer dem Hörer zehn Minuten lang aneinandergereihte Fragen ins Gesicht, die sich um das Zentrum seiner Vorlesungen drehen: Wer oder was ist diese Äkschn GmbH?
In den späteren Passagen und in dem Gespräch mit Nießen wird klar, dass Meyer einen Dreh- und Angelpunkt für dieses anarchische Sammelsurium aus Assoziationen, Kindheitserinnerungen, Popkultur, Schlagworten und Zeitgeschehnissen brauchte. Die „Äkschn GmbH“ ist alles und ist nichts. Sie ist Literatur, Erfahrungen und Zombiefilme. Es ist alles, was durch den riesigen Trichter fällt, der vor Clemens Meyers Bewusstsein angebracht zu sein scheint.
Meyer durchwühlt den ganzen Dreck persönlicher, kultureller und realer Geschichte und schmilzt aus den Goldklumpen, die dabei zu Tage kommen, sein literarisches Kunstwerk zusammen. Diese Arbeitsweise bildet sich direkt im Stil seiner Vorlesungen wieder, die ein improvisierter „Stream of Consciousness“ sind und alle denkbaren Ausdrucksformen zu vereinen suchen (die letzte Vorlesung existiert im Buch nur noch als Register, da in dieser rund um Meyers Vortrag eine riesige Bühne gezimmert wurde, während der Autor das dozierte, was im gerade durch den Kopf ging).
Zum Schluss der Lesung zeigt Meyer noch einmal, was das Endresultat sein kann, wenn man die wild umherschwirrenden Gedanken richtig sortiert und zu Papier bringt. Er liest dem Publikum eine Kostprobe aus einem Erzählband vor, der zur nächsten Leipziger Buchmesse erscheinen soll. Es ist ein trauriger Text, er erzählt von einem toten Flüchtlingskind, der Einsamkeit und der Sprachlosigkeit im Angesicht alltäglicher Schrecken. Hauptschauplatz des kurzen Prosastückes ist die „Brachfläche neben der Schnellstraße“.
Artikelfoto: rh
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