Gesellschaftliches Engagement ohne politische Kritik
Alternatives Filmfestival in fünf Europäischen Städten
Das große internationale Filmfestival für Dokumentar- und Animationsfilme Leipzig (DOK) hat einen Konkurrenten. Vom 3. Bis 7. November, nahezu zeitgleich mit der DOK (31.10. bis 6.11.), fanden die „Idocare movie evenings“ statt. „Idocare“ verfolgt ein alternatives Festivalkonzept und findet an fünf aufeinander folgenden Tagen in fünf verschiedenen Städten Europas statt: Leipzig, Dnipropetrowsk und Odessa (beide Ukraine) sowie St. Petersburg und Volgoda (beide Russland). Überall werden die gleichen Kurzfilme gezeigt. Am 3. November eröffnete im Leipziger „Luru Kino“ in der Plagwitzer Spinnerei ein Filmabend mit anschließender Diskussionsrunde das „idocare – Festival“. Gezeigt wurden sieben Kurzfilme von unterschiedlichen jungen Regisseuren, deren kleinster gemeinsamer Nenner laut Veranstalter „zivilgesellschaftliches Engagement in Osteuropa“ war.
Im ersten Film ging es um ukrainische Dorfbewohner, die sich gegen Korruption wehren. Der nächste Kurzfilm drehte sich um zwei Menschen, die es dank Bildung geschafft haben, aus ärmlichsten Verhältnissen herauszukommen und nun versuchen, ihrem Heimatdorf zu helfen. Der dritte Film handelte von einem selbstständigen Abenteurer, der in einem selbstgebauten und fahrbaren Haus seine Freiheit ausleben möchte. Der vierte Film begleitete einen querschnittsgelähmten Weißrusse, der mit einem Handrad in wenigen Tagen von Weißrussland bis an Meer in Litauen fährt. Im fünften Film wurde die Arbeit russischer Meeresbiologen dokumentiert, die im äußersten Sibirien Orcas beobachten. Der sechste und mit 30 Minuten längste Film spielte in einer Russischen Drogenklinik, in der es ein Theaterprojekt mit den Patienten gibt. Und der siebte Film schließlich spielte in einem Weißrussischen Dorf, in dem nur Frauen leben, die trotz teils trauriger Vergangenheit sehr glücklich mit ihrem Leben sind.
Die Filme waren kurzweilig und folgten ohne Pause einer auf den anderen. „Wir haben diese sieben Filme ausgewählt, weil sie alle Menschen gleichermaßen ansprechen können, unabhängig von politischer Einstellung oder Nationalität“, sagt die Organisatorin Karina Bakhteeva. „Das Soziale soll im Vordergrund stehen.“ Im Zuschauergespräch, zu dem auch der Regisseur des letzten Films über die Frauen in Weißrussland eingeladen war, wurde allerdings deutlich, dass nicht bei jedem Zuschauer der Grundgedanke des Festivals angekommen war. Nikolaj* kritisierte, dass gerade im letzten Film eine lieblich freundliche Welt gezeichnet würde, die weit entfernt von den realen Verhältnissen in Weißrussischen Dörfern sei. Ihm habe eindeutig der kritische Ansatz gefehlt.
Der junge Regisseur Alexey Paluyan verteidigte seinen Film: „Ich mache Filme, die die Zuschauer zum Nachdenken bringen und ein Antwort auf brennende Fragen geben. Wenn mindestens einen Zuschauer im Kinosaal einen Antwort für sich gefunden hat – das ist schon Wert von der Magie, die Kino heißt.“ Bakhteeva sprang dem Regisseur bei: „Wir haben absichtlich politisch brisante Themen ausgeschlossen, damit wir die Filme problemlos in allen beteiligten Ländern zeigen können.“ Zivilgesellschaftliches Engagement spiele sich nicht immer nur in der Politik ab, sondern geschehe oft auch abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Um kleine Projekte zu unterstützen und ihnen eine Bühne zu schaffen, sei das Festival organisiert worden. Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf sollen an die ukrainische Umweltorganisation „Eko Gorod“ gespendet werden.
In jeder teilnehmenden Stadt ändert sich das Programm ein kleinwenig. Sechs der Filme werden überall gezeigt, aber ein siebter wechselt immer. Außerdem bieten andere Orte auch andere Rahmenbedingungen. In Leipzig war der Abend vom Dialog mit dem Publikum geprägt, in den anderen Städten ist aber ein anderer Ablauf möglich. In Dnipropetrowsk beispielsweise spielt eine Band und in St. Petersburg werden die Einnahmen an ein Tierheim gespendet. Wenn das Festival, das im Rahmen des „EU-Russian Civil Society Forums“ mit Unterstützung durch das Auswärtige Amt, der Robert-Bosch-Stiftung und der Oak Foundation entstanden ist, an allen Orten erfolgreich war, könnte es im nächsten Jahr eine Fortsetzung geben, sagt Bakhteeva.
*Name geändert
Foto oben: Organisatorin Karina Bakhteeva und Regisseur Alexey Paluyan, Quelle: idocare
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