„Ich bedauere“
Die Leipziger CDU-Politikerin Bettina Kudla spricht über Migrationspolitik und ihre Wahlniederlage
Die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus Leipzig, Bettina Kudla (CDU), hat in letzter Zeit durch zwei Tweets Aufsehen erregt. Einmal benutzte sie Vokabular der Nationalsozialisten, im anderen Tweet beleidigte sie den regimekritischen türkischen Journalisten Can Dündar als „Cansel Dünschiss“. Als Reaktion darauf wurde sie von der Leipziger CDU-Basis im ersten Wahlgang als zukünftige Direktkandidatin abgewählt. Frau Kudla gab student!-Redakteur Rewert Hoffer ein Interview, in dem Sie unter anderem auf die Flüchtlingspolitik, ihre persönliche Situation und die der CDU eingeht.
student!: Wie geht es für Sie nun weiter, nach Ihrer Niederlage auf dem Wahlkongress?
Bettina Kudla: Ich bin direkt gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages. In dieser Funktion werde ich auch in den kommenden Monaten weiterhin den Schwerpunkt auf meine Arbeit im Finanzausschuss legen. Wir haben hier seit Beginn dieser Legislatur wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, wie beispielsweise die effiziente Weiterentwicklung des Systems der europäischen Bankenaufsicht, die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in Deutschland oder die Erbschaftssteuerreform. Dieses Engagement, verbunden mit der Zusammenarbeit mit den Bürgern, Organisationen und Unternehmen meines Wahlkreises, werde ich fortsetzen.
student!: Ohne Ihre Tweets wären Sie bestimmt erneute Direktkandidatin geworden. Bereuen Sie, dass Sie sie gepostet haben?
Bettina Kudla: Grundsätzlich bin ich nicht dafür bekannt, meine Meinungsäußerungen von anstehenden Nominierungen oder Wahlen abhängig zu machen. Ich bedauere allerdings, dass ich mit den angesprochenen Tweets Unterstützer verloren habe und es mir nicht gelungen ist, die eigentliche Botschaft dahinter ausreichend zu erklären.
student!: Wie haben Sie sich nach dem Anschlag auf Ihr Wahlkreisbüro gefühlt?
Bettina Kudla: Ich war betroffen über das Ausmaß zerstörerischer Gewalt. Neben dem großen materiellen Schaden wurde auch die Arbeitsfähigkeit meines Büros über Wochen stark beeinträchtigt. Es ist mir nicht begreiflich, wie einige Wenige unter dem Deckmantel politischer Zeichensetzung Eigentum zerstören und dabei sogar Leib und Leben von Menschen aufs Spiel setzen können. Mehrere Pflastersteine wurden direkt ins Büro geworfen.
student!: Haben Sie ein politisches Vorbild?
Bettina Kudla: In meiner Jugendzeit war ich sehr von Henry Kissinger, dem US-amerikanischen Außenminister der siebziger Jahre, beeindruckt. Ich kann sagen, dass er es war, der mich für die „große Politik“ begeistert hat.
student!: Was bedeutet für Sie konservative Politik im 21. Jahrhundert?
Bettina Kudla: Konservative Politik bedeutet für mich erstmal eine Wertschätzung der politischen Verhältnisse in Deutschland insgesamt. Sicherlich möchte ich in der Politik etwas bewirken, aber oft ist es schon ein Erfolg, bestimmte Verhältnisse beizubehalten und zu bewahren und nicht zu verschlechtern oder abzuschaffen. Wir haben in vielen Politikfeldern erlebt, dass andere Parteien wesentliche Faktoren der inneren oder äußeren Sicherheit – wie Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr – weiter reduzieren wollten, weil sie die Notwendigkeit für den Bestand nicht mehr sahen. Oder in der Bildungspolitik – das Schulsystem durch die Gesamtschule verwässern und damit auch die Zugangsschwelle für die Universitäten herabsetzen wollen. Konservative Politik bedeutet für mich, sich auf die Kernthemen der CDU zu besinnen, nämlich eine klare christlich-demokratische Politik zu machen, die die Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen in den Vordergrund stellt- im Rahmen einer sozialen, marktwirtschaftlichen Grundordnung.
student!: Würden Sie sagen, dass die höhere Zahl an Migranten eine Gefahr für Deutschland ist?
Bettina Kudla: Ja und Nein. Wenn wir es zulassen, dass sich die Fehler der Einwanderungspolitik wiederholen und sich erneut Parallelgesellschaften mit den heutigen Zuwanderern herausbilden, geht damit eine Gefahr für den inneren Frieden in Deutschland einher. Wenn es dagegen gelingt, Migration aktiv zu steuern und zu gestalten und die Forderung, dass für Zuwanderer das oberste Gebot in Deutschland unser Grundgesetz ist, nicht zum bloßen Lippenbekenntnis verkommt, kann Migration eine Chance darstellen.
student!: Halten Sie Angela Merkels Flüchtlingspolitik für verfehlt?
Bettina Kudla: Hätten wir in Deutschland einen größeren Bevölkerungszuwachs, so wäre die Bundeskanzlerin – neben der rein humanitären Entscheidung – sicherlich nicht so großzügig in der Flüchtlingspolitik gewesen. Der Ruf nach Fachkräften von führenden Vertretern der Wirtschaft, den ich nicht teilte, tat sein Übriges. Auch werden Entscheidungen einer Bundesregierung nicht nur von einer Bundeskanzlerin allein getroffen, sondern von einer Regierung insgesamt – in diesem Fall von der großen Koalition. Wir müssen jetzt diskutieren, ob die Maßnahmen der Asylpakete I und II und des Integrationsgesetzes ausreichend sind, die Zahl der Asylbewerber langfristig zu begrenzen, damit unsere Bevölkerung nicht überfordert wird.
student!: Woher kommt Ihr zuvorkommendes Verständnis für den türkischen Präsidenten Erdogan?
Bettina Kudla: Ich halte es für schwierig, wenn in Deutschland häufig sehr schnell über andere Staaten oder Politiker im Ausland geurteilt wird. Die Deutschen wollen doch auch nicht, dass andere ständig über ihre Politik urteilen. Ohne eine stabile Türkei und auch ein stabiles Ägypten, als eines der bevölkerungsreichsten Länder im Nahen Osten mit jeweils fast 90 Millionen Einwohnern, wird es einen friedlichen Nahen Osten nur schwer geben. Im Hinblick auf die vielen Flüchtlinge, insbesondere aus Syrien, kommt der Türkei eine Schlüsselrolle zu. Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei hilft, dass die Flüchtlinge zumindest in der Nähe ihrer Heimat bleiben können. Aufgrund der fehlenden Einigung der EU hinsichtlich der Flüchtlingspolitik wird Deutschland durch erneute Flüchtlingswellen am meisten betroffen sein. Ich sehe keine Vorteile für Deutschland, wenn man die Politik der Türkei ständig kritisiert.
student!: Denken Sie, dass Sachsen ein Problem mit Rechtsextremismus hat?
Bettina Kudla: Es ist zu vermuten, dass es in jedem Land dieser Erde Erscheinungen von Extremismus – gleich ob von „rechts“ oder „links“ gibt. Die Ausrichtung des Lagers, von dem Extremismus ausgeht, ist dabei für mich unerheblich – Extremismus ist grundsätzlich abzulehnen. Im Übrigen sind die Übergänge zwischen diesen Strömungen fließend und beide haben gemein, dass sie die Werte unseres Grundgesetzes und vor allem das Gewaltmonopol des Staates ablehnen. Die Fokussierung auf Sachsen halte ich für verlogen und ich habe den Eindruck, dass unser Bundesland als Sündenbock für andere und zur Ablenkung eigener Probleme und Versäumnisse herhalten muss.
student!: Denken Sie, dass es Fehler von Seiten der Polizei, Justiz oder Politik im Fall des Selbstmordes des Terroristen Jaber al-Bakr in der JVA Leipzig gegeben hat?
Bettina Kudla: Ich habe mich sehr geärgert, als kurz nach den allerersten Meldungen über den Suizid und ohne, dass zu diesem Zeitpunkt nähere Einzelheiten der Umstände bekannt waren, aus der gesamten Republik und allen voran von Spitzenpolitikern der Grünen, Linken und SPD geradezu hämisch der verbale Fingerzeig auf Sachsen zu vernehmen war. Ich werde mich an diesen wilden Spekulationen auch heute nicht beteiligen und vertraue voll und ganz darauf, dass die von der sächsischen Staatsregierung eingesetzte Expertenkommission klären wird, ob und wenn ja welche Fehler begangen wurden und durch wen diese zu verantworten sind.
student!: Würden Sie Koalitionen der CDU mit der AfD kategorisch ausschließen?
Bettina Kudla: Ich möchte, dass die CDU weiterhin stärkste politische Kraft in Deutschland bleibt.
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