• Menü
  • Hochschulpolitik
  • „Ladet schnell alles runter!”

    Urheberrechtlich geschützte Texte verschwinden von „Moodle“

    Studieren im 21. Jahrhundert bedeutet, die Vorteile der digitalen Welt für das Lehren und Lernen zu nutzen. Die Lernplattform „Moodle“ ist inzwischen Kern­bestand­teil der Kommunikation zwischen Dozenten und Studenten. Letztere müssen sich nun aber auf einen herben Rückschlag gefasst machen, da ab dem 1. Januar 2017 voraussichtlich keine urheberrechtlich geschützten Texte mehr auf „Moodle“ hochgeladen werden dürfen.
    Die Entwicklung ist eine Folge des neuen Rahmenvertrags, der im September zwischen der Kultusministerkonferenz und der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort geschlossen wurde. Die VG Wort ist dafür zuständig, die Gebühren für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Schriftwerke an den Hochschulen einzusammeln und an die Autoren auszuschütten. Bisher zahlten die Länder eine Pauschalvergütung für alle verwendeten Texte. Laut dem neuen Rah­menvertrag müssen jedoch die Dozenten jedes Werk, das sie den Studenten digital zur Verfügung stellen, einzeln an die VG Wort melden. Diese stellt dann den Hochschulen die Kosten in Rechnung, die abhängig von der Teilnehmerzahl des Kurses und der genutzten Seitenanzahl sind.
    Bis Redaktionsschluss haben die Hochschulen von neun Bundesländern erklärt, den Rahmenvertrag nicht unterschreiben zu wollen. Auch der Senat der Universität Leipzig hat sich gegen den Beitritt entschieden. Die Rektorin der Uni Leipzig, Beate Schücking, kritisiert: „Dieser Vertrag macht meiner Meinung nach weder für die Uni Leipzig noch für irgendeine andere Hochschule in Deutschland Sinn.“ Die Neuregelung würde einen nicht verkraftbaren Verwaltungsaufwand für die Dozenten und Hochschulen verursachen, ergänzt Charlotte Bauer, stellvertretende Direktorin der Unibibliothek.

    Fotokopieren wird wieder wichtiger

    Fotokopieren wird wieder wichtiger

    Ein Pilotversuch der Uni Osnabrück, der die Folgen des Rahmenvertrags im Wintersemester 2014/15 testete, bestätigte diese Befürchtungen be­reits. Die Studie ergab, dass die Lehrenden nicht einmal halb so viele von der Neuregelung betroffene Texte online zur Verfügung stellten,  wie im Vorjahr. 60 Prozent der befragten Studenten gaben an, einen höheren oder sehr viel höheren Aufwand bei der Literaturbeschaffung zu haben. Die Kosten für die Einzelmeldungen beliefen sich nur auf 5.000 Euro im Semester, aber die verursachten Personalkosten und sonstige Aufwände lagen bei über 20.000 Euro.
    Treten die Hochschulen wie angekündigt dem Rahmenvertrag nicht bei, müssen bis zum 1. Januar sämtliche urheberechtlich geschützten Texte von „Moodle“ entfernt werden, darunter beispielsweise wissenschaftliche Artikel, Lehrbuch­auszüge und Primärquellen. Weiterhin hochgeladen werden dürfen dagegen eigene Materialien wie Vorlesungsskripte, Open-Access-Werke sowie urheberrechtsfreie Werke, deren Autoren vor mehr als 70 Jahren verstorben sind. Auch E-Book-Lizenzen, die von der Unibibliothek erworben wurden, können auf „Moodle“ verlinkt werden. Andere Medien wie Filme und Musikdateien sind zudem nicht vom neuen Rah­menvertrag betroffen und werden weiterhin pauschal ab­gerechnet.
    Gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden aller­dings viele Texte nicht mehr digital verfügbar sein. Hier droht den Studenten die Rückkehr zu Copyshop-Readern und Semesterapparaten in der Bibliothek, die einzeln kopiert werden müssen. Auf Dozentenseite erwartet Schücking zudem Unsicherheit bei der Entscheidung, welche Texte hochgeladen werden dürfen: „Es wird sicher dazu führen, dass mancher überängstlich reagiert.“
    Laut Schücking laufen derzeit weitere Verhandlungen zwischen den Hochschulen und der VG Wort, jedoch sei eine kurzfristige Alternativlösung nicht in Sicht: „Es wird irgendeine Lösung geben, aber wohl nicht in der ersten Hälfte des Jahres 2017.“ Die Rektorin sieht die Politik in der Pflicht: „Der Bundestag müsste das Urheberrecht reformieren und der modernen digitalisierten Universitätswelt an­passen.“ Dass sich Studenten und Dozenten vorerst auf Einschränkungen im Universitätsalltag gefasst machen müssen, befürchtet auch Charlotte Bauer. Die Bibliothekarin rät deshalb, die Zeit bis zum Jahres­wechsel zu nutzen: „Eigentlich kann man derzeit nur allen empfehlen: Ladet schnell alles runter!“

    Edit: Auch an der HTWK Leipzig gelten die neuen Maßnahmen ab dem 1. Januar.

    Fotos: Juliane Siegert

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.