Wie es ist, einen Krieg über Facebook zu beobachten
Buchrezension: „Out of Syria, inside Facebook“ von Dona Abboud
Ich halte das Buch in meinen Händen, blättere durch die Seiten und es fühlt sich an wie ein riesiges Rätsel. Ein Rätsel mit vielen Seiten, Bildern, Worten. Ich sehe es, die Fotos überfluten mich und doch, kann ich es nicht begreifen. Vielleicht lässt sich Krieg genauso beschreiben: Unbegreiflich. Undurchschaubar. Unerklärbar.
„Out of Syria, inside Facebook“ von Dona Abboud führt einem das schmerzlich vor Augen. Das Institut für Buchkunst Leipzig hat Ende des letzten Jahres das Buch der Syrerin veröffentlicht. Der Buchumschlag ist rot, komplett rot und erinnert mich an die Facebook-Aktion von vor einigen Monaten, als immer mehr Menschen aus Solidarität zu Aleppo ihr Profilbild mit einem roten Quadrat ersetzten.
Dona Abboud hat Typografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert und lebt seit mehreren Jahren in Leipzig.
Es muss ein lähmendes Gefühl sein, wenn zu Hause Krieg ist und alles auf Facebook beobachtbar ist. Das Buch bietet einen fast intimen Einblick in die Leben von elf verschiedenen Menschen. Die Gemeinsamkeit: Alle sind vom syrischen Krieg geprägt.
Zu jeder Person werden Facebook-Bilder gezeigt, die sie selber in dem sozialen Netzwerk gepostet haben. Dazu hat Dona Abboud jedem die gleichen Fragen gestellt. „Wer bist du? Warum fotografieren die Leute? Wenn du ein Foto siehst, das Männer mit Waffen zeigt, woran denkst du als Erstes? Was ist Krieg für dich? Kannst du schlafen?“ Es ist spannend, die Antworten der verschiedenen Personen zu vergleichen. Manche kommen jedoch nicht mehr zu Wort, denn ihre Facebook-Profile wurden gelöscht. Das Buch ist dreisprachig: Alle Texte sind in Deutsch, Englisch und Arabisch abgedruckt.
Insgesamt sind fast 2.000 Bilder zu sehen. Von Hochzeitsbildern über Selfies bis hin zu Männern mit Maschinengewehren. Ungefiltert und schonungslos. Durch die wilde Zusammenstellung werden die verschiedenen Parteien des Krieges sichtbar: Unterstützer des Assad-Regimes, Oppositionelle, islamistische Kämpfer. Daneben stehen die „normalen“ Bürger Syriens. Es sind die persönlichen Antworten, die berühren: „Ich träume davon, dass wir unser Land zurückbekommen, so sicher und schön, wie es vorher war. Dass die Kinder wieder lächeln können, dass jeder, der weit weg ist von seiner Mutter, zu ihr zurückkommt, sie umarmt und ihre Hand küsst.“
Und auch wenn das Buch verwirrt und aufwühlt, hilft es, Krieg zu verstehen.
Foto: Dona Abboud
Dona Abboud: Out of Syria, inside Facebook. Institut für Buchkunst; 224 Seiten, 20 Euro; online zu bestellen unter www.institutbuchkunst.hgb-leipzig.de
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