Die gescheiterte Rektorwahl 2016
Rückblick auf eine hochschulpolitische Posse
Eigentlich waren alle Voraussetzungen gegeben, um die Rektorwahl der Universität Leipzig im Januar 2016 zu einer unspektakulären Angelegenheit zu machen: Die Stelle war im Frühjahr 2015 ausgeschrieben worden. Vorschriftsgemäß bildete sich danach eine Auswahlkommission zur Erstellung einer Vorschlagsliste, bestehend aus zwei Senats- und zwei Hochschulratsmitgliedern. Sie traf eine Vorauswahl unter den Bewerbern. Vier der ursprünglich sieben Kandidaten wurden dem Hochschulrat vorgelegt, bei dem die Entscheidung liegt, wer dem Erweiterten Senat zur Wahl vorgeschlagen wird. Der Hochschulrat führte Bewerbungsgespräche und erstellte seinen Wahlvorschlag.
So weit, so gut. Doch dann machte Unirektorin Beate Schücking im Juli 2015 öffentlich, dass sie nicht auf der Vorschlagsliste des Hochschulrats stand. Ein abermaliges Antreten zur Wahl war somit für Schücking unmöglich geworden. Und das, obwohl die Rektorin im Voraus deutlich gesagt hatte, an einer zweiten Amtszeit interessiert zu sein. Stattdessen auf der Liste: zwei externe Bewerber, deren Namen zunächst nicht öffentlich genannt wurden.
Die Rektorin äußerte sich bestürzt. Der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte sie im Juli 2015, das Vorgehen des Hochschulrats sei „schwer mit ihrem Demokratieverständnis vereinbar“. Zudem zeigte sich Schücking überrascht darüber, dass der Hochschulrat ihr im Voraus positive Rückmeldung auf eine mögliche Kandidatur gegeben hatte.
In Medienberichten wurde spekuliert, es könne sich um eine politische Entscheidung handeln. So schrieb der „Spiegel“ im August 2015, der Hochschulrat sei zum einen mit Schückings Widerstand gegen Kürzungen und Stellenstreichungen unzufrieden gewesen. Zum anderen stünde sie der SPD nahe, während der Rat mehrheitlich aus hochschulexternen Mitgliedern bestehe, die das Wissenschaftsministerium der schwarz-gelben Vorgängerregierung eingesetzt hatte.
Die Kritik am Vorgehen des Hochschulrats wurde nun lauter. Der Stura der Universität Leipzig beispielsweise forderte eine „Demokratisierung“ des Verfahrens der Rektorwahl sowie eine Reform des Hochschulrats, dem auch die Studentenvertretung politische Hintergedanken bei der Zusammenstellung der Vorschlagsliste vorwarf. Im Laufe der nächsten Monate erneuerte der Stura mehrfach seine Rücktrittsforderung an den Hochschulrat, zuletzt im Juni 2016.
Nachdem ein klärendes Gespräch zwischen Hochschulrats- und Senatsmitgliedern gescheitert war, bezog auch der Akademische Senat eindeutig Stellung. In einem Brief an den Hochschulrat beklagte der Senat die Beschneidung der Wahlfreiheit des Erweiterten Senats durch die Auslassung von Beate Schücking. Der Senat forderte vom Hochschulrat, die Kandidatenliste zu überdenken.
Dieser jedoch beharrte auf seiner Auswahl. Die Bewerber seien gleich behandelt worden, eine kritische Abwägung habe stattgefunden, und die beiden besten Kandidaten stünden auf der Liste. Der Senat lehnte jetzt den Wahlvorschlag offiziell ab. Da dieses Gremium im Falle der Rektorwahl kein Vetorecht besitzt, war nun der Erweiterte Senat an der Reihe, Stellung zu beziehen. Dieses Gremium trifft die Auswahl zwischen den verbleibenden Bewerbern. In einer Sitzung im Dezember schlug sich der Erweiterte Senat auf die Seite des Senats: Er forderte seinerseits die Vorlage eines „rechtskonformen Vorschlags“. Der Vorschlag des Hochschulrats war in einem Rechtsgutachten als rechtswidrig bezeichnet worden.
Einer der beiden Kandidaten auf dem Wahlvorschlag, der Geschichtsprofessor Eduard Mühle, hatte zu diesem Zeitpunkt seine Kandidatur bereits zurückgezogen. Und auch der letzte verbliebene Bewerber, der Historiker Tassilo Schmidt, erteilte dem Hochschulrat Anfang Januar 2016 eine Absage.
Ohne Kandidaten gibt es auch keine Rektorwahl. Daher wurden in Sitzungen des Senats, des Erweiterten Senats, des Hochschulrats und des Rektorats der Abbruch der Wahl und eine Neuausschreibung der Stelle beschlossen.
Die gescheiterte Rektorwahl hat die gravierenden Differenzen zwischen dem Hochschulrat und den anderen Gremien an der Universität deutlich aufgezeigt. Die starke Stellung des Hochschulrats bei der Rektorwahl wurde von vielen Seiten kritisiert und vor allem von der Studierendenvertretung als inakzeptabel angeprangert.
Die Kandidaten der Rektorwahl 2017 im Interview:
Titelfoto: student!
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