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  • „Die Zeitung mag ja sterben, aber nicht jetzt“

    Daniel Schulz, einer der student!-Gründerväter, im Interview

    Es war eine Gruppe von sieben Journalistik-Studenten, die im Sommer 2000 die unabhängige Leipziger Hochschulzeitung „student!“ gründeten. Einer der sieben, Daniel Schulz, war drei Jahre in der Redaktion dabei und leitete das Politikressort. Heute ist er Redakteur bei der Wochenendausgabe der taz in Berlin und mit einem kleinen Team zuständig für die Titelgeschichten. student!-Redakteur Jonas Nayda erklärte er, warum student! immer noch nicht tot ist, was das Besondere an Print ist und was seine eindrücklichste Erinnerung an seine Zeit bei student! ist.

     

    Foto: privat

    Foto: privat

    student!: Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel Ärger wir heute mit dem Namen „student!“ haben?

    Daniel: (lacht) Wir haben vor der ersten Ausgabe sehr lange über den Namen unserer Zeitung diskutiert. Natürlich haben wir uns über die Genderproblematik Gedanken gemacht und Leserbriefe gab es ja damals auch schon.

    Ich glaube, im Jahr 2000 war es irgendwie Common Sense, dass das Wort „Student“ selbstverständlich alle Menschen mit einschließt. Wir waren aber noch nicht so progressiv, dass wir auf ein generisches Femininum gekommen wären. Eine Silbe weniger ist kürzer und knackiger. Wir haben uns dafür entschieden, weil es damals zeitgemäß war.

     

    Ist der Name „student!“ heute noch zeitgemäß?

    Man darf die Geschichte nicht umschreiben. Wir sollten dazu stehen, dass wir diesen Namen haben und natürlich muss er alle Menschen einschließen.

    Eine Zeitung muss sich ständig neu erfinden. An einer Umbenennung würde sie glaube ich nicht zerbrechen. Der Name sollte auf keinen Fall eine Behinderung sein.

    Ständig den Namen wechseln kann man auch nicht. Man muss den Namen gut aussprechen können, das ist das wichtigste. Diese Entscheidungen sind schwierig, aber man muss sich für eins entscheiden.

    Vielleicht sollten wir den Namen als Verpflichtung nehmen, auf die Debatte hinzuweisen.

     

    Warum habt ihr „student!“ gegründet?

    Die vorhandenen Unimagazine oder Stura-Zeitungen wurden immer von irgendeiner Institution oder Interessengruppe herausgegeben. Wir wollten etwas Eigenes haben. Die „ad rem“ aus Dresden war ein bisschen unser Vorbild. Die waren gut gemacht und wirkten sehr professionell.

    Am Anfang wollten wir eher so eine Art „FAZ für Studenten“ machen, etwas, das man richtig ernst nimmt. Inzwischen hat sich das zum Glück ein bisschen verbessert und die Zeitung ist heute etwas lockerer.

    Im Angebot des Journalistik-Studiums hat uns damals einfach etwas gefehlt: eine eigene Zeitung.

     

    Wieso habt ihr euch dann nicht offiziell an die Fakultät gewandt?

    Wir haben damals ja sogar dem Institut für Journalistik eine Zusammenarbeit angeboten. Wir wollten uns absichern. Das Institut hat aber abgesagt. Wir waren denen wohl nicht fein genug. Wir haben zu viel selbst gemacht und an ihnen vorbei. An die exakte Antwort kann ich mich aber nicht mehr erinnern.

    Wahrscheinlich war diese Absage für die Zeitung aber sehr gut so. Weil wir uns damit nicht in die Abhängigkeit begeben haben. Absicherung bedeutet oft auch in gewisser Hinsicht Abhängigkeit. Ich glaube, nachher haben wir das auch nie wieder versucht.

     

    Gab es Kooperationen mit dem Stura?

    Es gab mal nach meiner aktiven Zeit bei „student!“ die Idee, mit dem Stura zusammen zu arbeiten, aber da haben wir Gründerväter dann unser Veto eingelegt, weil das genau das Gegenteil von dem gewesen wäre, was wir geplant hatten.

     

    Wieso ist „student!“ nicht schon längst tot?

    Viele von uns Gründungsmitgliedern haben der Zeitung Geld geliehen oder sogar geschenkt. Daran wurde ich später mal erinnert, als ich selbst mal Geld brauchte… (lacht) Die Zeitung hat die Leihgaben dann nach und nach durch Anzeigenverkäufe wieder rein bekommen. Ich bewundere den Überlebenswillen dieses Projektes.

    Wir dachten oft: Ok, die Zeitung mag ja sterben. Aber nicht jetzt. Wir haben einfach immer noch eine Ausgabe gemacht, und dann noch eine.

     

    Hättest du damals gedacht, dass es „student!“ 2017 immer noch geben würde?

    Ich hab‘s mir gewünscht. Aber es gab da sehr unterschiedliche Phasen. Nach den ersten zwei- drei Zeitungen, als wir immer noch nicht genug Anzeigen hatten und überlegt haben, eine Ausgabe ausfallen zu lassen, hat uns Carl, der damalige Herausgeber wachgerüttelt, dass keine Ausgabe ausfallen darf! Aber wir konnten immer nur hoffen, dass jemand das nach uns weiter macht.

     

    Was ist deine eindrücklichste Erinnerung an deine Zeit bei „student!“?

    Die nächtlichen Fahrten zu- und von den Druckstandorten. Die Daten mussten damals auf einer DVD zur Druckerei geliefert werden, weil es keine so gute Internetverbindung für große Datenmengen gab. Die zweite Ausgabe ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben, weil die LVZ-Druckerei, bei der wir Kunde waren, uns wenige Tage vor Drucklegung mitgeteilt hat, dass sie kein Papier mehr hatte. Unser Geschäftsführer hat dann 20 Druckereien abtelefoniert, die aber alle keine Zeit mehr für uns hatten.

    Daraufhin mussten wir in Dresden im Offset-Verfahren auf Hochglanzpapier drucken. Das war doppelt so teuer und das Papier war doppelt so schwer. Wir haben die ganze Nacht gewartet, bis die Exemplare aus den Maschinen herauskamen. Ich habe dort auf irgend einem Sofa geschlafen, dass in der Druckerei stand, andere Kollegen haben gar nicht geschlafen.

    Überhaupt waren es hauptsächlich die Nächte, an die ich mich erinnere. Die Zeitung ist immer nachts fertig geworden. Wir haben an zwei Computern produziert und die Redaktion hat abwechselnd in meinem Bett geschlafen. Das Büro befand sich damals in einer 6er-WG im Waldstraßenviertel. Wer nicht gearbeitet hat, hat gesoffen, oder gepennt.

    Das hat ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl geschafft. Das war einfach toll. Deshalb sind mir die Nächte mit Leuten, die man mal mehr – mal weniger gemocht hat, je nach Arbeitsstadium, besonders in Erinnerung geblieben. Wir sind als Freunde dort herangegangen und nicht immer als Freunde auch auseinander gegangen. Solch ein Stress ist natürlich nicht immer einfach.

     

    Ist eine Print-Zeitung heute noch sinnvoll?

    Ja. Unter anderem deswegen, weil es eine Monatszeitung ist. Bei Tageszeitungen ist das etwas anderes, auch wenn ich bei der taz arbeite…

    Im Studienalltag kann man das Ding halt überall mit hin nehmen. In die Mensa, ins Wohnheim, überall wo zum Beispiel auch kein Internet funktioniert. Das finde ich gut. Ich mag es, die Dinge in der Hand zu haben. Die Zeitung ist nicht so riesengroß und relativ handlich.

    Es hat natürlich etwas Altmodisches. Das hat was von 20er Jahre „Zeitungsjunge, Extrablatt!“. Das hat einfach eine gewisse Eleganz und Charme. Das ist eine Stilfrage. Die Zeitung kümmert sich noch um ihre Leser. Man sieht ja, wie die Redakteure sich die Mühe machen, sich selbst dort hinzustellen. Der Herr Redakteur ist sich nicht zu fein, sein Produkt auch selbst noch zu verteilen. Damit sind wir sogar noch näher dran, als Lokalzeitungen.

    Das ist wie der Unterschied zwischen einer Online-Kampagne mit Unterschriften und richtig demonstrieren zu gehen! Das macht das Produkt wertvoll. Ich fände es merkwürdig, wenn eine Monatszeitung online wäre, weil das Internet für mich etwas viel zu unmittelbares ist.

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.