Irgendwas zwischen Bücherdönern, Rosinen und Vaginen
Tagebuch zur Buchmesse (4) - Sonntag, 26. März
Zeitumstellung, habe ich total vergessen. Ich verpasse die letzte Veranstaltung des „Café Europa“. Gut, dass ich eine Alternative habe: Sandra, eine Freundin von mir ist da. Sandra studiert Kommunikationsdesign in Würzburg und hat heute einen Stand auf der Buchmesse. Ich mache mich auf zu Halle drei. Als ich an einem „Bücherdöner“ vorbeilaufe, ein Dönerspieß mit bedrucktem Papier statt Fleisch, sehe ich mein Ziel. Sandra zeigt mir ein Buch, dass mir auf Anhieb gefällt: „Irgendwas dazwischen“ heißt es. Es handelt von Menschen, die sich nicht in klassische Geschlechterkategorien einordnen wollen. Ich klappe den dicken schwarzen Buchdeckel auf und lauter kleine Vaginen springen mir entgegen. Liebevoll gezeichnet, nur die Umrisse, weiß auf blauem Hintergrund. Das Buch behandelt Selbstbilder, biologische Hintergründe von Transgender-Operationen, Geschlechtermythen und Rollenbilder. Ich blättere weiter und stoße auf eine Doppelseite, die eine rosa, die andere blau. Auf der einen Seite eine Collage von Spielzeug, welches für „Jungen“ gedacht ist, auf der anderen Seite das für „Mädchen“. Um das Foto einer „Captain America“-Actionfigur stehen Worte wie „Stärke“, „Kämpfer“ und „rational“. Auf der rosa Seite ist eine „Barbie“ Puppe zu sehen. Dort ist „schlank“, „begehrenswert“, oder „fröhlich“ zu lesen. Das Buch soll eine Ermutigung sein, geschlechterbezogenen Vorurteile zu hinterfragen und sich „selbst zu verwirklichen“. „Irgendwas dazwischen“ ist sehr einfach gehalten, aber durchaus nicht langweilig. Es spricht Dinge an, die mir schon klar sind, aber vielen Menschen eben noch nicht, außerdem enthält es sehr gute Fotografien und Illustrationen, die mich grinsen lassen.
Auf dem Regal daneben sehe ich ein großes, dunkelrotes Buch liegen. „Fluchtatlas“ lese ich auf dem Deckel. Es ist sehr schlicht, klassisch, ich hätte es fast übersehen. „Fluchtatlas“, von Laura Markert, Yvonne Moser und Lilli Scheuerlein, beschäftigt sich mit Fluchtursachen, der Frage, was „Heimat“ ist, Fluchtwegen, dem deutschen Asylrecht und Zielen von Geflüchteten. Zwar werden Worte wie „Flüchtlinge“ verwendet, ohne dessen negative Assoziationen zu berücksichtigen, aber die sonstige Genauigkeit und Ausführlichkeit des Werkes machen dies für mich wieder wett. Ich blättere ein wenig und entdecke Fotos von Dingen, die Interviewte auf ihrer Flucht mitgenommen haben. So wie eine Handvoll Rosinen als Proviant. Diese Fotostrecke berührt mich, weil sie brutal ist, aber nicht so voyeuristisch wie die Menschen selbst zu fotografieren.
Abschließendes Fazit zur Buchmesse: Ich habe, tolle Künstler und Künstlerinnen gesehen und gehört, viel gelacht und viel nachgedacht, sowohl über gute, als auch über compacte Erfahrungen.
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