„Niemand wird gezwungen, eine Doktorarbeit zu schreiben“
Uni-Rektorin Beate Schücking über die prekäre Lage junger Akademiker
Beate Schücking ist seit sechs Jahren Rektorin der Universität Leipzig. Im Januar wurde sie für eine zweite Amtszeit wiedergewählt und hat angekündigt, „wie eine Löwin“ für die Uni kämpfen zu wollen. Im Interview mit student!-Chefredakteur Jonas Nayda spricht sie über die Zukunft der Juristenfakultät, eine Frauenquote und befristete Verträge im wissenschaftlichen Mittelbau.
student!: Sie wurden im Januar nur mit knapper Mehrheit im dritten Wahlgang wiedergewählt. Warum konnten Sie die Wahl nicht deutlicher für sich entscheiden?
Schücking: Die Mehrheit war doch im ersten Wahlgang schon recht eindeutig. Es gab aber viele Enthaltungen. Über die Motive für diese Enthaltungen lässt sich sicher spekulieren, das möchte ich aber an dieser Stelle nicht tun.
Sie sind mit einem Vier-Punkte-Programm zur Wahl angetreten, das sich aus Forschungsförderung, Lehrinnovation, Transferausbau sowie Struktur- und Prozessoptimierung zusammensetzt. Können Sie das jetzt etwas konkretisieren?
Einige Themen zeichnen sich jetzt schon ab, wie beispielsweise der Ausbau der Juristenfakultät. Wir werden die Situation nutzen, dass sich hier in Leipzig die Juristenausbildung konzentriert (Leipzig erhält sieben neue Jura-Professuren und viele weitere Studenten aus dem eingestellten Studiengang in Dresden, Anm. der Red.). Das ist eine große Chance für die Universität.
Wir haben eine Aufbaukommission gegründet, um den Übergang möglichst intelligent zu gestalten. Wir wollen die grundsätzlich gute Studierendenausbildung garantieren und verstärken, auch wenn das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden zurzeit nicht optimal ist.
Was bedeutet eine größere Juristenfakultät für die anderen Fakultäten?
Das ist für die Universität insgesamt wichtig und gut, weil die juristischen Aspekte anderer Fakultäten mit abgebildet werden können. Nehmen Sie etwa Medienrecht, wo wir jetzt bereits eine Professur besetzt haben. Es wäre schön, wenn wir auch für andere Bereiche entsprechende Expertise aufbauen können.
Es gibt Beschwerden von Jurastudenten, ihre Bibliothek sei zu klein. Wenn bis 2025 etwa 700 Jurastudenten pro Semester neu dazu kommen, müsste eine neue Bibliothek gebaut werden.
Genau. Wir müssen die Fakultät vergrößern, und zwar nicht nur räumlich. Auch die Etats für den Büchererwerb müssen steigen. Die Gespräche dazu laufen bereits. Sinnvollerweise sollte zuerst das Geld für die Bücher da sein, und dann schaut man nach mehr Platz dafür.
Der Hochschulentwicklungsplan 2025 sieht vor, die Studierendenzahl in ganz Sachsen bei 95.000 zu deckeln. Ist das ein richtiger Schritt?
Ich habe von höchster politischer Stelle gehört, dass man über dieses Thema im Gespräch bleiben sollte. Nicht nur ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Vorgabe nicht mit anderen Zielsetzungen zusammenpasst. Wir sollen mehr Juristinnen und Juristen oder Lehrerinnen und Lehrer ausbilden – nicht weniger. Die Gesamtabsenkung der Studierendenzahl kann also nur von anderen Hochschulen geleistet werden, etwa von privaten. Gesetzt den Fall, dass es überhaupt nötig ist. Schauen wir doch erst mal, wie ein neuer Koalitionsvertrag aussieht.
Es ist wichtig immer wieder auch öffentlich darauf hinzuweisen, dass diese Deckelung aus Leipziger Sicht und für unsere Region nicht sinnvoll erscheint.
Wie würde die Uni denn ihre Studierendenzahl senken?
Schon jetzt können wir von etwa 47.000 Bewerbern jedes Jahr nur rund 7.000 aufnehmen. Ich kann mir ein Absenken der Studierendenzahlen in den Fächern, aus denen der Freistaat Absolventen verlangt, kaum vorstellen. Im Moment haben wir in der Lehramtsausbildung einen befristeten Aufwuchs. Aber wenn dann bis 2025 die Zahl der Lehramtsabsolventen und Absolventinnen wieder abgesenkt werden soll, auf etwa die Hälfte der heutigen Studierenden, dann wäre das unser Beitrag zur Reduktion der Studierendenzahl in Sachsen.
Also werden keine anderen Studiengänge beschnitten?
Das kann ich mir im Moment zumindest nicht vorstellen.
Von den 390 Hochschulleitungen Deutschlands gibt es nur 69 Hochschulleiterinnen. Ist eine Frauenquote notwendig?
Ich glaube nicht, dass sich im Bereich der Hochschulleitungen eine Frauenquote durchsetzen wird. Aber immerhin gibt es inzwischen einen langsamen Anstieg des Frauenanteils unter den Rektoren und Präsidenten. Noch vor wenigen Jahren gab es viel weniger Frauen in diesen Führungspositionen.
Das kann doch aber nicht reichen. Müsste nicht etwa die Hälfte aller Posten weiblich besetzt sein?
Ich denke, die Uni Leipzig ist auf einem sehr guten Weg und hat auch durchaus überregional den Ruf, sich um diese Dinge zu kümmern. Und zwar so, dass nicht nur die Frauen vorpreschen, sondern sich auch die Männer für Gleichberechtigung einsetzen. Das ist ein Aspekt, der mich bezüglich unserer Universität durchaus stolz macht.
Ich sehe innerhalb unserer Uni aber noch Nachholbedarf bei den Dekanen, da haben wir bei 14 Fakultäten momentan nur eine Frau.
Junge Akademiker im wissenschaftlichen Mittelbau sind häufig nur mit schmalen befristeten Verträgen ausgestattet. Etwa eine Familie zu gründen trauen sich da viele nicht. Was kann die Universität in so einem Fall tun, um zu helfen?
Wir und die anderen sächsischen Hochschulen haben bereits im letzten Sommer mit dem Wissenschaftsministerium einen Rahmenkodex ausgearbeitet, der verbindliche Mindeststandards zum Umgang mit befristeter Beschäftigung setzt. Und in unseren Zielvereinbarungen gibt es das klare Bekenntnis, dass wir einen gewissen Anteil des Personals auf Haushaltsstellen entfristen wollen. Wir wollen dafür sorgen, dass der Anteil an Dauerstellen nicht sinkt, sondern eher ein bisschen ansteigt.
Wenn man so abhängig von Drittmitteln ist, wie wir es sind, können wir uns einen höheren Anteil an unbefristeten Haushaltsstellen aber schlicht nicht leisten. Wir bräuchten eine üppigere Grundausstattung vom Freistaat.
Wieso kann man als ausgebildeter Akademiker an der Universität fast kein Geld verdienen?
Natürlich ist das kein Leipziger Problem, das ist selbst an den reichsten Universitäten Deutschlands so. Sicherlich wäre eine Grundfinanzierung gut, die einen höheren Anteil des Mittelbaus auf Dauerstellen erlaubt. In der Größenordnung von 40 Prozent. Aber für einen solchen Zuwachs wird man lange kämpfen müssen, dafür wären große Geldsummen nötig.
Zudem ist es leicht zu sagen, dass es eigentlich nur entfristete Stellen geben sollte. Wir hätten dann vielleicht eine Generation glücklicher Menschen – aber auf 30 Jahre lang alles blockiert. Bei Berufungsverfahren für neue Professoren etwa hätten wir die Uni dann komplett lahmgelegt. Ein gutes Maß an Flexibilität ist nötig.
Der menschliche Verschleiß wird also in Kauf genommen, damit die Universität insgesamt besser dasteht?
Das ist eine sehr überspitzte Vorstellung. Es wird ja niemand dazu gezwungen, eine Doktorarbeit zu schreiben oder sich zu habilitieren und so lange an der Uni auszuharren, bis es eines Tages doch eine universitäre Karriere gibt. Es ist natürlich ein großer Wettstreit, die Rahmenbedingungen sind alles andere als leicht, und bis zur Professur schaffen es wenige.
Letzte Frage mit einem kleinen Augenzwinkern. Warum ist das Paulinum noch nicht eröffnet?
Weil noch nicht alles fertig ist. Es geht schon eine ganze Weile um die Glassäulen. Aber wie Sie wissen, ist der Freistaat Sachsen der Bauherr. Ich kann daher wenig dazu sagen, gehe aber nach wie vor davon aus, dass sich 2017 die Eröffnung nicht mehr verhindern lassen wird. Fest steht: Wir bekommen einen fantastischen Raum. Dafür sind wir dankbar und freuen uns sehr darauf.
Fotos: Juliane Siegert
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