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  • Verstörender Blick ins Schlafzimmer

    Filmrezension: Einsamkeit und Sex und Mitleid

    Wer aktuell ein bisschen zu gut drauf ist und das dringend ändern muss, der wird im Kino fündig. Ein Wort genügt, um den Film „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ zu beschreiben: verstörend.

    Der deutsche Episodenfilm basiert auf dem gleichnamigen Roman von Helmut Krausser und behandelt genau das, was der Titel verspricht. Wobei – so ganz stimmt das nicht. Einige recht explizite Sexszenen kommen vor und auch sonst bestimmt die Triebbefriedigung die Gedanken der Protagonisten. Einsam sind sie trotzdem und noch dazu vollkommen neurotisch. Nur am Mitleid mangelt es gänzlich, sowohl unter den Figuren als auch seitens des Zuschauers.

    Da gibt es den Supermarktleiter und die Künstlerin, die sich online kennengelernt haben und sich mit ihrem zwanghaften Festhalten an  Unverbindlichkeit völlig lächerlich machen. Oder die Ärztin, deren exakte Vorstellung vom Liebesspiel nicht mal der Callboy erfüllen kann. Deswegen legt sie sich eine Sexmaschine zu, denn sie ist ja eine unabhängige Frau, die keinen Mann braucht. Oder eben dieser Callboy mit seinem Callgirl, die ihre Beziehung natürlich ganz toll mit ihren Jobs vereinbaren können. Außer sie werden zusammen gebucht, dann schminken und stylen sie sich bis zur Unkenntlichkeit zu zwei steril-weißen Zombies.

    Sterile, weiße Zombies - Das Call-Paar

    Steril-weiße Zombies – Das Callpärchen

    Das ist alles genauso traurig, wie es sich anhört und macht es dem Zuschauer nahezu unmöglich, für irgendeine der Personen Sympathie zu empfinden. Dabei sind es nicht ihre sexuellen Vorlieben, die so verstörend wirken, sondern die Unfähigkeit gesunde menschliche Beziehungen einzugehen. Die Ursachen für den Beziehungsfrust der Charaktere sind zwar schnell durchschaut und teils ziemlich klischeebeladen, aber das macht ihr Handeln noch lange nicht nachvollziehbar. Fest steht nur: Sie sind wütend, verzweifelt und wollen es sich nicht eingestehen.

    Das wirklich Seltsame an „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ ist jedoch, dass der Film zwar überspitzt, aber wahrscheinlich gar nicht so realitätsfern ist. Schon der Titel als Anspielung auf die deutsche Nationalhymne legt nahe, dass Autor Helmut Krausser, der auch das Drehbuch schrieb, ein Spektrum der deutschen Gesellschaft abbilden will. Als „Panorama sexueller urbaner Beziehungen“ bezeichnet er sein Werk. Okay, neurotische Menschen trifft man jeden Tag. Aber will man sich im Kino wirklich auch noch anschauen, wie verschroben deren Sexleben ist? Wenn dieser Film eine Message hat, dann wohl, dass in Deutschland großer Bedarf an Paar- und Sexualtherapeuten besteht.

     

    In den Kinos ab: 4. Mai

     

     

    Fotos: X-Verleih

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