Zwei auf einer Bank
Über eine besondere Freundschaft
„Zu kalt für diese Jahreszeit.“ Das knappe Urteil des Wetterberichts im Radio vorhin bestätigt sich, als über den dünn bevölkerten Augustusplatz eine kühle Windböe hinwegfegt. Hier treffe ich auf zwei junge Männer, die auf einer Bank am Brunnen sitzen. Max und Mohammad (Name geändert) – das sind Kumpels, die doch keine sind.
Vor drei Monaten trafen sie das erste Mal aufeinander. Der eine, weil er Unterstützung suchte und der andere, weil er genau diese geben wollte. „Ich wusste nur seinen Namen“, sagt Max mit einem Lächeln in der Stimme. Viel über Mohammads Vergangenheit weiß er nicht. Mohammad ist 17 Jahre alt und kam vor etwa anderthalb Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Damit ist er einer von circa 500 unbegleiteten Minderjährigen mit Fluchterfahrung, die derzeit in Leipzig leben.
Max studiert Lehramt im vierten Semester, unter anderem auch Deutsch als Zweitsprache. Passt ja, denke ich. Für Geflüchtete setzt sich Max auch anderweitig ein, aus gesellschaftlicher und politischer Überzeugung. Aber diese Patenschaft liegt ihm besonders am Herzen.
Begegnung auf Augenhöhe
„Du erinnerst dich auch noch an das erste Treffen beim Flüchtlingsrat, oder?“ richtet Max die Frage an den ruhigen Jugendlichen. Max macht das gut, immer wieder lockt er Mohammad mit Fragen aus der Reserve. Er spricht dabei viel mit seinen Händen und hakt nach, ob Mohammad auch wirklich alles verstanden hat. Mohammad geht jeden Tag in eine Leipziger Sprachschule. Den Unterricht findet er leicht, sagt er, aber man merkt, wie schwer es ihm fällt, Deutsch zu sprechen. Daher möchte er mit seinem Paten Max vor allem eins: reden und Spaß haben.
„Einmal waren wir zusammen beim Fußballspiel. Das war cool, oder?“, fragt Max. Auf Mohammads Gesicht breitet sich ein zustimmendes Grinsen aus. Ein anderes Mal lauschten sie einem Mozart-Konzert. Die Karten für das Gewandhaus waren frei – ein Angebot des Leipziger Flüchtlingsrats für Patenpaare. Als Max das erzählt, muss Mohammad lachen: „Drei Stunden!“ Was Mohammad in dieser Zeit wohl alles durch den Kopf ging. Oft treffen sie sich aber auch nur für eine Weile, reden oder kochen etwas zusammen. Nicht selten entsteht aus dem Aufeinandertreffen zweier Unbekannter bei diesen Patenschaften eine richtige Freundschaft.
Flüchtlingsrat
Beim Matching des Paares durch den Flüchtlingsrat wird auf ähnliche Interessen geachtet, erzählt mir Max.
Das Engagement der Leipziger war 2015 besonders groß, doch nun suchen mehrere hundert Geflüchtete jeden Alters mithilfe des Flüchtlingsrats nach Paten. Mit erfolgreichen Asylverfahren, die echte Bleibeaussichten bedeuten, ist gesellschaftliche Inklusion besonders wichtig geworden. Neben Max und Mohammad fanden schon über 1.500 Patenpaare durch den Leipziger Flüchtlingsrat zusammen. Die Patenschaft hilft da, wo Strukturen Lücken aufweisen. Sie schafft ein unkompliziertes Miteinander und gegenseitiges Verständnis. Das zeigt sich auch bei Mohammad und Max.
Als auch ich merke, wie Mohammad unruhig wird, fragt Max ihn, was los ist. Wir sitzen nun schon ziemlich lange im viel zu kalten Aprilwind. Er will plötzlich zu einem Freund, sie seien verabredet. „Kein Problem,“ sagt Max. „Ich schreib dir.“ Mohammad gibt uns die Hand und macht sich auf. Schade, denk ich mir. Aber er ist eben ein vielbeschäftigter Jugendlicher, wenn auch mit einem besonders vollen Rucksack an Erfahrungen.
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