Die Kunst der Monotonie
DVD-Rezension: Paterson
Mit „Paterson“ gelingt Regisseur und Drehbuchautor Jim Jarmusch Erstaunliches: Zwei Stunden lang passiert fast nichts und trotzdem wird es als Zuschauer nicht langweilig. Das liegt hauptsächlich an einem wirklich gut geschriebenen Skript und fein ausgearbeiteten Charakteren.
Für Hauptfigur Paterson, gespielt von Adam Driver, empfindet man sofort Sympathie. Der Alltagstrott hat sein Leben fest im Griff. Tagsüber arbeitet er als Busfahrer in der verschlafenen Kleinstadt, die seinen Namen trägt, nach Feierabend muss er mit dem ungeliebten Hund raus und macht Halt in seiner Stammkneipe. Seine Flucht aus der Routine sind die prosaischen Gedichte, die er beständig in sein kleines Notizbuch schreibt.
Er ist tiefsinnig und klug, dieser Paterson. Das merkt man schnell. Dabei spricht er sehr wenig, nur ein Schmunzeln huscht ab und an über sein Gesicht. Doch er beobachtet genau und registriert alles. In dem kauzigen Ensemble der Kleinstadt, das den Film so charmant und komisch macht, wirkt er wie ein Fremdkörper.
Er lauscht den Geschichten der Menschen im Bus, wird Zeuge einer tragikomischen Love-Story in der Bar und muss zuhause die ständig neuen Einfälle seiner exzentrischen Freundin ertragen. Tagein, tagaus. Doch Jim Jarmusch gelingt es, dass man trotz oder gerade wegen der ruhigen Erzählweise immer in leichter Anspannung verharrt. Hinter jeder Begegnung erwartet man den längst fälligen Knall. Wird die Unbekannte in der Bar Patersons Affäre? Werden die Gangster auf der Straße ihn beim Gassigehen überfallen? Nein, es geht weiter wie bisher.
Umso einschneidender wirkt es, als sein alter Bus auf einmal liegen bleibt und Smartphone-Verweigerer Paterson aus seiner Komfortzone gerissen wird. Ein von außen betrachtet unspektakuläres Ereignis verursacht in diesem Film mehr Schweißausbrüche als die wildeste Verfolgungsjagd in Actionfilmen. Doch auch das bleibt nur eine kleine Unregelmäßigkeit im Herzschlag von „Paterson“.
Von diesen Ausschlägen folgen noch ein paar weitere, bis der Film schließlich sein poetisches Ende findet. Ein bisschen unbefriedigend mag das sein, denn Paterson ereilt nicht das große Happy End, das der stille Hüne verdient hätte. Aber es passt zum melancholischen Unterton dieses Kunstfilms.
„Paterson“ ist ein Film für laue Sommerabende, deren drückende Schwüle er perfekt reflektiert. Die gerade erschienene DVD enthält – bis auf ein paar Trailer – keinerlei Extras, entgehen lassen sollte man sie sich trotzdem nicht. Denn neben der tollen Charakterzeichnung wartet „Paterson“ auch mit einem selten so gesehenen Auge fürs Detail und stark gefilmten Bildern auf – typisch für Jim Jarmusch. Nicht zuletzt trägt auch Adam Driver mit seiner enormen Präsenz den Film mit Leichtigkeit über fast zwei Stunden. Das Wichtigste ist, dass man ihn im Originalton sieht! Die grausame deutsche Synchronisierung lässt Paterson wie einen einfältigen Trottel erscheinen und das ist er nun wirklich nicht.
auf DVD und Blue-Ray ab: 9. Juni 2017
Bilder: Mary Cybulski


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