Umstritten bis zur letzten Minute
Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen
In diesen verbal düsteren Zeiten der medial-öffentlichen Wutausbrüche soll es endlich einen Lichtblick geben: das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen „Hate-Speech“ und „Fake-News“.
Das am Freitag im Bundestag beschlossene Gesetz des Justizministeriums soll eine schnellere und umfassendere Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit Hasskriminalität und anderen rechtswidrigen Inhalten im Internet gewährleisten.
Dazu ist unter anderem vorgesehen, dass die betroffenen Inhalte in sozialen Netzwerken innerhalb von 24 Stunden, im Regelfall in längstens einer Woche gelöscht werden müssen.
Seit der Vorstellung des Gesetzentwurfes durch Heiko Maas (SPD) riss die Kritik nicht ab. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnete die vorgesehenen Regelungen des Gesetzes als Eingriff in die Meinungsfreiheit. Dabei wird immer wieder auf die kurzen Lösch-Fristen, die mangelhafte Bestimmtheit der Rechtsbegriffe und die hohen Bußgelder verwiesen.
Hubertus Gersdorf, Staatsrecht-Professor der Universität Leipzig mit dem Schwerpunkt Medienrecht, bezeichnet das NetzDG als verfassungswidrig, da das Grundrecht Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Regelungen zur Löschung von Inhalten gibt es bereits für Anbieter von Mediendiensten. Allerdings sind dort keine strikten Fristen wie beim NetzDG gesetzt, sondern das Verfahren richtet sich nach bestimmten Richtlinien. „Man verlangt also von den Netzwerkbetreibern mehr als von der kommerziell professionell arbeitenden Presse – das ist erkennbar unverhältnismäßig.“
Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die im Einzelfall aufwendige Prüfung der Sachverhalte. Im Zweifelsfall würden sich die Plattformbetreiber wohl eher für das Löschen entscheiden, da in dem Gesetz Bußgelder in Millionenhöhe veranschlagt sind. Dann könnten auch einfache Meinungsäußerungen in großem Stil gelöscht werden, in Verantwortung der Plattformbetreiber. Es scheint, dass rechtsstaatliche Pflichten auf Institutionen wie Facebook übertragen werden.
Besonders kritisiert wurde im Vorhinein auch der im Gesetzentwurf vorgesehene Herausgabeanspruch der Bestandsdaten. Der in seinen Persönlichkeitsrechten Verletzte hat gegen den Netzwerkbetreiber einen Anspruch auf namentliche Nennung desjenigen, der ihn in seinen Rechten verletzt hat. Ob die Daten einzelner Nutzer herausgegeben werden oder nicht sollte gemäß der früheren Fassung des NetzDG der Netzwerkbetreiber bestimmen. In dem nun verabschiedeten Gesetz liegt diese Entscheidung in richterlichen Händen.
Gersdorf sieht in dieser Regelung einen richtigen Schritt des Gesetzgebers zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen. Das NetzDG wurde in der letzten Fassung noch einmal überarbeitet, insbesondere die umstrittene Sieben-Tage-Regelung wurde entschärft. In Kraft treten soll es im Oktober.
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