In vino veritas – Der neue Jahrgang
Filmrezension: Der Wein und der Wind
Weinanbau hat etwas Mystisches. Die Winzer sind echte Liebhaber und streben ständig nach dem perfekten Moment, ihre Trauben zu lesen. Dabei leben sie mit den Jahreszeiten und der Unberechenbarkeit des Wetters. Cédric Klapisch (u.a. Regisseur von So ist Paris) wählt eben jenes Motiv für seinen neuen Film Der Wein und der Wind. Er zeigt die sonnigen, regnerischen und verschneiten Seiten des Winzerdaseins im stetigen Wechsel der Jahreszeiten.
Ein kleines Weingut in Burgund: Nach einem Jahrzehnt kehrt der verlorene Sohn Jean (Pio Marmaï) in sein Elternhaus zurück. Dort halten seine Schwester Juliette (Ana Giardot) und Jérémie (François Civil) die Stellung, weil der Vater todkrank ist. Sie teilen die Leidenschaft für ihren Beruf und exquisiten Wein. Denn einen Wein herzustellen, verlangt physischen Einsatz sowie ein Gespür für Traube und Saft.
Klapisch schafft es, die Verzweigung zwischen Zeit und Weinlese im Wechsel der Jahreszeiten eindrucksvoll zu inszenieren. Diese Inszenierung zeigt einerseits die stetige Veränderung der Weinreben. Andererseits spiegelt diese Überschneidung die Entwicklung der Charaktere wider, die sich wie die Jahreszeiten zwischen geschmackvollen Höhen und süffigen Tiefen bewegen. Dabei löst Klapisch die bestehenden Grenzen der Zeit auf und lässt die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmelzen. Der Zuschauer wird somit zum Allwissenden über alles, was geschah und geschieht.
Der Film ermöglicht einen Einblick in die für den Laien unbekannte Welt der Winzer. Begriffe wie Verjus (Reben mit unreifen Früchten) und diverse Traubensorten geben dem Film die authentische Note. Klapisch hat vor dem Dreh selbst einige Zeit bei einem Winzer gelebt und sich einen Baum zwischen den Reben gesucht, an welchem er den Wechsel der Jahreszeiten nachvollzogen hat – er weiß also, wovon er redet. Er baut dadurch eine Spannung auf: Die unberechenbare Natur und der Geschmack des Weines sind die ständigen Begleiter. Die Arroganz der Winzer und die Leidenschaft für den Beruf stehen sich ständig gegenüber. Die Geschichte der Geschwister, verursacht Nervenkitzel und tränende Augen im Abgang. Die Landschaft Burgunds besticht mit einer natürlichen Note und das geschulte Auge des Regisseurs für Naturaufnahmen ist ebenso eine entscheidende Zutat.
Die Lebenswelten der drei Geschwister könnten unterschiedlicher nicht sein. Gleichzeitig sind sie tragisch und abhängig voneinander. Der Film bietet so auch Zuschauerlieblinge und auf der anderen Seite arrogante Schnösel. Nebenbei steigert er die Lust auf (guten) Wein. Und wer kann das besser als die Franzosen? Der Film ist sein Geld auf jeden Fall wert. Die nebeneinander laufenden Szenen verschiedener Zeitabschnitte und das Augenmerk auf die Natur im Verlauf der Jahreszeiten geben dem Film die Würze und die entscheidende Reife. Der Blick nach draußen durch das Fenster birgt also vielmehr, als der Mensch erwartet.
In den Kinos ab: 10. August 2017
Fotos: Studiocanal Deutschland
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.