Zwischen Lieblingsliedern und Genervtsein
Auf dem Konzert von Elif
Manchmal gibt es Musik, die stolz in die öffentliche Spotify-Playlist eingefügt wird, damit alle sehen, welch’ außergewöhnlich tollen Musikgeschmack man hat. Und dann gibt es Musik, bei denen der Private-Session-Modus eingestellt wird. Ganz still und heimlich lauschen. Die Musik der 24-jährigen Sängerin Elif Demirezer – Künstlername Elif – gehört für mich zur zweiten Kategorie. Irgendwie schön, sehr schön, und irgendwie trotzdem ein bisschen peinlich.
In jedem zweiten (oder doch fast jedem?) Lied wird die Liebe, Liebeskummer, Hoffnung, Traurigsein oder irgendein anderer Seelenschmerz besungen. That’s it. Das spiegelt sich auch auf der Bühne wieder, als die gebürtige Berlinerin im Leipziger Werk 2 im Rahmen ihrer Doppelleben-Tour ein Konzert gibt: So gut wie jede Story vor oder hinter dem Song hat etwas mit einer verflossenen Liebe oder einer Persönlichkeitskrise zu tun. Elif erzählt, dass sie sich wegen ihres Ex-Freundes ihre langen, schwarzen Haare abgeschnitten hat, als Schlussstrich. Elif erzählt, dass sie das Lied aus Trotz wegen eines anderen Ex-Freundes geschrieben hat, als Schlussstrich. Dazu singt Elif Zeilen wie „Und mein Herz schlägt weiter auch wenn es fürchterlich brennt“ (Song: „Nichts tut für immer weh“), „Nein, ich lass dich nicht gehen“ (Song: „Unter meiner Haut“), „Irgendwann find‘ ich schon eine Hand, die zu meiner passt“ (Song: „Anlauf nehmen“) oder „Komm zurück, komm zurück, komm zurück“ (Song: „Wo bist du?“).
Obwohl mich diese Einfältigkeit an ihrer Musik nervt, höre ich Elif manchmal gerne zu. Ihre schöne Stimme, ihre sympathische Art auf der Bühne, die guten Melodien. Auch wenn ich mir viele Lieder des aktuellen Albums „Doppelleben“ oder der älteren Alben zu Hause nicht anhören kann, weil ich von dem ständigen Gejammer in hohen Tönen deprimiert werden würde, ist es live erträglich und zugegeben sehr schön: Fast so, als hätte Elif selber keine Lust auf all’ die schlechte Laune, tanzt sie zu den Liebesliedern wild herum und verbreitet gute Laune. Dazu die instrumentale Begleitung, welche besonders durch die Blas- und Streichinstrumente sehr gelungen ist. Außerdem traut sich Elif „echte“ Musik zu machen und steht an so einigen Momenten alleine mit ihrer Gitarre auf der Bühne. Sehr ehrlich und authentisch.
Und dann sind da noch meine absoluten Lieblingslieder: „Doppelleben“ und „Baba“. Beides tatsächlich Songs, die keine Liebesbeziehung zum Thema machen, sondern etwas Anderes: Die Beziehung zu ihren Eltern, welche 1987 als türkische Einwanderer nach Deutschland kamen. Ein Songtext, der wahrscheinlich oft auf das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern zutrifft und trotzdem selten so ehrlich ausgesungen wird. Das was die beiden Lieder können und auszeichnet, vermisse ich bei Elifs restlicher Musik. Und trotzdem bleibt am Ende des Abends etwas übrig: Zwei Videos und zwei Fotos auf meinem Handy, das Gefühl Elifs Musik besser zu verstehen und der Wunsch, dass Elif endlich über neue Themen singt. Und das ein oder andere Lied, das jetzt doch in meine Playlist rutscht.
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