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  • Wild, einsam und unsexy

    Das DOK-Festival am 3. November 2017

    „Jeder, der noch einen freien Platz neben sich hat, hebt jetzt die Hand.“ Beim Filmblock Scratchy + Wildes Herz ist es brechend voll. Und natürlich habe ich den Platz hinter der Dame ergattert, die sich am Morgen gedacht hat, eine Amy-Winehouse-Frise wäre perfekt für einen Kinotag.

    Scratchy ist ein – nennen wir es mal „gewöhnungsbedürftiger“ – animierter Film, der an Cartoons aus dem 20. Jahrhundert erinnert. Blaue Lippen singen eine catchy-scratchy Melodie und es gibt leicht verstörende Bilder (unter anderem „Eyeball Licking“). Dann läuft Wildes Herz, die Dokumentation über die Band Feine Sahne Fischfilet und hauptsächlich deren Sänger Monchi, auf die ich mich am meisten gefreut hatte. Der Film zeigt intime Einblicke in Monchis Kindheit und Jugend, die geprägt sind von der Liebe zum Fußball und seinem exzessiven Mitwirken bei den Ultras des Fußballvereins Hansa Rostock. Im Laufe der Doku erklärt Monchi, dass er kein Bock mehr darauf habe, andere Leute zu verabscheuen, weil sie einen anderen Fußballverein anfeuern. Sympathisch. Es folgt der Übergang von den Fußball-Ultras hin zu einem Leben mit der Band, die sich mehr und mehr politisch engagiert. Dazu, dass in den Anfängen der Band häufig Nazis auf den Konzerten auftauchten, sagt Monchi: „Saufen und Ficken – stehen Nazis halt auch drauf. Überraschung.“ Daher beginnt die Band, sich auch in ihren Liedtexten klar zu positionieren, und zwar antifaschistisch. Allerdings unterstützen sie keine politische Partei. „Wenn du als Band eine Partei supportest, dann solltest du aufhören, weil es einfach nur noch peinlich ist, so“, erklärt Monchi, der während der Filmvorführung anwesend ist, nach dem Film auf eine Zuschauerfrage, die wissen möchte, warum im Film keine Zugehörigkeit zur Partei Die Linke deutlich wird.

    Eine gelungene, unterhaltsame, auch interessante Dokumentation, nicht nur für Feine-Sahne-Fans. Ebenso wird auch die Einstufung der Band als „linksextrem“ und die daraus resultierende Überwachung durch den Verfassungsschutz thematisiert. Krass, wenn man sich vorstellt, irgendwann einen Brief zu bekommen, in dem sinngemäß steht: „Ach übrigens, Sie wurden die letzten drei Jahre beschattet. Aber keine Sorge, die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Peilsender und die Wanzen unter Ihrem Auto entfernt. “ Die einzige Frage, die sich, wie immer bei solchen Projekten, stellt: Ist das noch Punkrock, eine kommerzielle Dokumentation zu drehen? Ich denke nicht, bin aber froh, dass sie es getan haben.

    Übrigens bin ich Amy Winehouse dann doch noch ziemlich dankbar. Ihre Haarpracht hat die Untertitel verdeckt. Ich kann es echt nicht leiden, beim Filmegucken mitzulesen.

    Q&A mit Hauptdarsteller und Produzent.

    Fragerunde mit Monchi und Produzent Sebastian nach dem Film. Im Vordergrund: „Amy Winehouse“.

    So, jetzt erstmal Mittagspause. Gestärkt geht es dann ins Zeitgeschichtliche Forum zu Generation Berlin. Hier zeigen Studierende der Filmuniversität Babelsberg ihre Kurzfilmprojekte. Wir sehen unter anderem eine Dokumentation über eine Berliner DJ. Außerdem auch etwas experimentellere Filme zum Thema Erinnerungen und Einsamkeit. Das Thema Einsamkeit scheint sich generell unabgesprochen durch alle Projekte durchzuziehen. Berlin macht wohl doch nicht so glücklich. Bleiben wir also lieber in Hypezig.

    Filmemacher der Filmuni Babelsberg präsentieren ihre Arbeiten auf dem DOK Leipzig

    Die Filmemacher des Generation-Berlin-Projekts.

    In der Osthalle des Hauptbahnhofes werden auch Filme gezeigt. Kostenlos. Für alle. An diesem Abend läuft der Block Megatick + Deine Fremde + Eingeimpft. Die ersten beiden sind Animationskurzfilme. Der letzte eine Doku über das Impfen. Filmemacher David porträtiert hier seine Familie. Seine Frau Jessica und er werden sich einfach nicht einig, ob Kind Zaira geimpft werden soll oder nicht. David geht auf jahrelange Recherche zu dem Thema. „Das ist ja nicht das sexyste Thema“, erklärt die Regisseurin nach dem Film. Ja, das stimmt. Und der Film hat mir nicht gefallen. Die Familie ist irgendwie nervig. Es fehlen wirkliche Argumente. Mehr als „Ich habe bedenken wegen der ‚Chemie‘ (aka die Aluminiumsalze) in den Impfstoffen“, fällt nicht so wirklich. Das Ende der Geschichte ist, dass die Tochter erst einmal jahrelang nicht geimpft wird und noch ein Kind geboren wird, Jentel. Interessanter Name. Die Dokumentation versucht einigermaßen neutral zu sein und beide Seiten zu erzählen, hat aber keine Chance, weil es einfach eine persönliche Geschichte ist.

    Mega voll in der Hauptbahnhof-Osthalle: Alle lieben kostenloses Kino.

    Mega voll in der Hauptbahnhof-Osthalle: Alle lieben kostenloses Kino.

    Nach diesem „unsexy“ Thema lasse ich den Abend bei Neue Deutsche Animation ausklingen. Einige lustige, einige merkwürdige, einige nicht so richtig einzuordnende Filme. Ein bunter Mix eben. Zum Beispiel gibt es hier nochmal Megatrick und Deine Fremde zu sehen. Auffällig hier: Die Filme wirken so anders, wenn man sie im Kino anstatt in der Bahnhofshalle ansieht. Die Atmosphäre ist halt doch entscheidend.

    Funfact: Nach 14 Stunden auf dem DOK, mache ich mir gerade zum Schreiben erstmal eine Fünf-Minuten-Terrine (Überbleibsel vom Highfield, wo ich Feine Sahne Fischfilet zum ersten Mal gesehen habe), um das Festivalgefühl aufkommen zu lassen.

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