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    Filmrezension: Polina

    Ich versuche mir ja immer einzureden, ich sei noch nicht so versessen von meinem Smartphone, dass ich es in jeder freien Sekunde zur geistigen Zerstreuung nutze. Tatsächlich bewahrheitet sich diese These aber nur in den seltensten Momenten meines hoch digitalisierten Studentenlebens. Aber einen dieser Momente schenkte mir zuletzt Polina.

    Anastasia Shevtsova als Polina

    Anastasia Shevtsova als Polina

    Polina entstammt ursprünglich der Feder des in Expertenkreisen gefeierten Comiczeichners Bastien Vivès. Bereits 2016 erschien seine gleichnamige Graphic-Novel, worin er die Biografie einer jungen Balletttänzerin zeichnet, angelehnt an jene der gefeierten Künstlerin Polina Semionova. Nun hat es Polina mit einer Produktion der französischen Regisseurinnen Valérie Müller und Angelin Preljocaj sogar auf die Leinwand geschafft. Und sich damit unverfroren in mein Herz getanzt.

    Es ist ein früher, verregneter Herbstabend, als ich die DVD, die seit September auf dem deutschen Markt ist, einlege – selbstverständlich in Gesellschaft meiner Ballettfreunde. Wir kennen diese Filme. Da ist diese Ballettschule, auf die jeder gehen will. Dann sind da eine tragische Geschichte und natürlich ein viel zu gutaussehender Balletttänzer, um es der Hauptdarstellerin möglichst hart zu machen. Aber so ist „Polina“ nicht. Zwar liest sich die Beschreibung auf dem DVD-Cover genau so, doch dahinter steckt überraschenderweise viel mehr.

    Die Geschichte beginnt bereits in der Kindheit der russischen Ballerina und zeigt dabei die erschwerten Bedingungen durch Polinas (Anastasia Shevtsova) ärmere Hintergründe auf interessant distanzierte Art. Die Szenen haben etwas Dunkles. Durch gekonnt gesetzte Schnitte bekommt man einen lebensechten Eindruck des Alltags der jungen Polina. Leider bleibt aus der Vergangenheit vieles nur angeschnitten, es folgt ein schneller Wechsel zum Leben der erwachsenen Polina, sodass man mit dem Wunsch nach mehr etwas enttäuscht zurückbleibt.

    Anastasia Shevtsova und Jérémie Bélingard in Aktion

    Anastasia Shevtsova und Jérémie Bélingard in Aktion

    Doch auch nach dem Sprung möchte ich keinen Blick auf mein Smartphone werfen, im Gegenteil. Immer wenn man kurz nicht hinsieht, ärgert man sich über die verpasste Kunst auf dem Bildschirm. Die Choreografien im Film sind atemberaubend und die Inszenierung wunderschön. Natürlich ist man als Tänzerin selbst von so etwas schneller fasziniert. Hier gelingt es den Regisseurinnen aber tatsächlich, eine authentische Geschichte darzustellen, ohne den Zuschauer vollends zu verschrecken. Zwar erfährt man ein weiteres Mal, wie viel Durchhaltevermögen so eine Ballerina-Karriere erfordert. Allerdings wird dem nicht zu viel Bedeutung beigemessen.

    DVD-Cover

    DVD-Cover

    Die meiste Magie geht dann aber von der Schlussszene aus. Nach vielen Höhen und Tiefen in Polinas Leben tanzt sie, wie sollte es anders sein, endlich mit Herz. Auch wenn das Ende auf poetische Weise offengelassen wird, wird man in einem träumend-hypnotisierenden Zustand zurückgelassen.

    Für alle Tanzfilm-Liebhaber auf jeden Fall ein Muss und eine wunderbare Alternative zum gefühlt tausendsten Step-Up-Remake. Natürlich muss man dem Genre ein wenig verbunden sein, aber gerade durch die ästhetische und ehrliche Darstellung wird der Film auch für Nicht-Tanzende interessant. Nach guten 100 Minuten entdeckt man dann erstaunt sein Smartphone wieder und kann zufrieden feststellen, dass man eine künstlerische Aufklärung über den Tanz bekommen hat, ganz ohne das World Wide Web.

    Polina ist am 13. Oktober 2017 auf DVD erschienen.

    Fotos: Carole Bethuel/Capelight

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