Wie ich plötzlich zum Kulturbanausen wurde
Eindrücke vom Tanzfestival euro-scene Leipzig
Seit Jahren liebe ich den Tanz. Musik ist mein Garant für gute Laune, Ballett macht mich vollkommen, so kitschig das auch klingt. Daher ging ich vergangene Woche voller Vorfreude zu „Das Triadische Ballett“ im Programm des euro-scene Festivals in Leipzig. Zum 27. Mal fand das Festival zeitgenössischen europäischen Theaters und Tanzes in mehreren Spielstätten unserer Kultur-Hochburg Leipzig statt. So betrat ich am Mittwoch die imposanten Räume des Schauspielhauses und war trotz zugeteilten Plätzen sehr weit entfernt von der Bühne zunächst positiv von der Sicht überrascht. Es folgte eine kurze Einweisung in das Stück, die mich aufhorchen ließ. Das historische Werk der zeitgenössischen Kunst entstammt der Idee des berühmten Bauhauskünstlers Oskar Schlemmer und wird als Vorstufe des sogenannten „Bildertheaters“ verstanden, da es den Tanz revolutionär mit bildender Kunst verbinde. Schlemmer selbst wird hierfür bis heute gefeiert, man schreibt ihm die Erneuerung des Menschenbilds nach dem Krieg zu. Vielleicht wird ja auch meines heute verändert?
„Das Triadische Ballett“ ist eingeteilt in drei Episoden, jede entspricht in Bühnenbild, Kostüm und Stimmung ihrer jeweiligen farblichen Bezeichnung. Am meisten sagt mir da noch der zweite, offiziell als „heiter-burlesk“ betitelte Teil zu, denn hier erkenne ich zumindest ein bisschen klassische Bewegung wieder. Oft wird jedoch einfach mit dem Moment gespielt. Der Künstler steht auf der Bühne, fast wie eine Installation in einem Museum. Was mich dabei allerdings durchweg begeisterte, waren die fantasievoll zusammengestellten Kostüme. Von sich kunstvoll um den Körper spinnenden Drahtkonstruktionen über zerbrechlich wirkende Tellerröcke bis hin zu bunten Bällen, die sich sanft um die Taille einer Tänzerin schmiegten wird die Bühne zu einem aufregenden Schauspiel. Auch wenn meine Gedanken sich aufgrund der fehlenden Bewegungen sehr oft eher um bevorstehende Termine der nächsten Woche drehen, mag ich meinen Blick gar nicht abwenden von diesen Kunstwerken, die tatsächlich noch aus der Entstehungszeit des Stückes erhalten wurden. Als es schließlich zur von mir lang ersehnten Apotheose (für andere Kulturbanausen: das Verbeugen) kommt, beschallt tosender Applaus den Saal. Das oft als Jahrhundertwerk betitelte Stück nach Choreografie von Georg Bohner verzaubert Leipzig den zweiten Abend in Folge.
Durch meinen Körper geht trotzdem eine minimale Erleichterung, als der Saal dann wieder hell wird. Für Liebhaber der zeitgenössischen Kunst war dieser Abend sicher ein Fest der Künste. Ich hingegen musste feststellen, dass ich in Bezug auf Kunst vielleicht doch eher prüde bin. Zuerst wollte ich es gar nicht wagen, diese Gedanken niederzuschreiben. Doch dann wurde mit klar, dass nicht jeder alles fulminant finden muss. Es war eine Erfahrung und vielleicht ist dieses Entdecken auch einer der Hauptpfeiler beim Theater. Für mich wird das euro-scene Festival nächstes Jahr kein fester Termin, doch mit Sicherheit wird die zeitgenössische Kunst wieder hunderte Menschen begeistern und das ist auch richtig. Ich lobe mir diese Stadt und die Menschen, die es möglich machen, Kunst hier von jeglichen Perspektiven zu betrachten. Und irgendwie wurde mein Menschenbild an diesem Abend ja vielleicht auch verändert.
Fotos: Ivan Liška
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