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  • Sanfte Eskalation Nähe Eisenbahnstraße

    Hinter den Kulissen Leipzigs gefährlichster Lesebühne

    Einmal im Monat ist Donnerstagabend mein Lieblingsabend. Da mache ich mich auf zur gefährlichsten Lesebühne Leipzigs. Gefährlich, weil sie im Peter K. stattfindet und man um dort hinzugelangen bei der Eisenbahnstraße aussteigen muss. Die Gefahr findet sich aber auch im Namen der Lesebühne wieder: „Sanfte Eskalation“. Sanft, weil es eine rein weibliche Besetzung ist, mit sanften Stimmen also und manchmal auch mit sanften Texten. Eskalativ, weil es Pfeffi gibt. Viel Pfeffi. Nach jedem Text wird mit einer Person aus dem Publikum zusammen getrunken, solange diese denn einen guten Grund zum Anstoßen vorzuweisen hat. Tatsache ist, dass die Leute kreativ werden, wenn’s um Alkohol geht. Eskalativ ist die Truppe aber auch, weil sie nach eigenen Angaben „laute, geile Texte“ vortragen: Politische Dystopien, Geschichten aus dem eigenen Leben zum Lachen oder zum Heulen, zum Besseren veränderte Justin-Bieber-Lieder werden gelesen, gesungen, gereimt, geschrien oder getanzt. Jeder Text ist wie die erste Seite eines Buches, dessen Klappentext man nicht gelesen hat.

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    Die Stammbesetzung sind Louise Kenn, Leonie Warnke, Katja Hofmann und Tanasgol Sabbagh. Zudem wird jeden Monat ein Stargast aus der Szene eingeladen, für kulturellen Austausch ist also immer gesorgt. Für Durst und den kleinen Hunger übrigens auch und das sogar abseits vom Pfeffi-Überangebot. Im Peter K. stehen den Gästen Wasser, Tee und Salzstangen kostenlos zur Verfügung. Der Ort könnte nicht besser gewählt sein, denn auch das Ambiente stimmt: Theatervorhänge als Gardinen und gemütliche Sessel, ohne den Zigarettennebel würde man sich wie im eigenen WG-Wohnzimmer fühlen. Doch der sorgt dafür, dass man auch einige Tage später noch durch den subtilen Rauchgeruch seiner Jacke an diesen Abend erinnert wird.

    Ich liebe die Lesebühne und die Mädels tun das auch. Im Gespräch mit ihnen erfahre ich, dass hier der Ort ist, an dem sie sich tatsächlich ausprobieren. Ins Peter K. kommt ihr Stammpublikum, vor dem sie die Wirkung ihrer Texte erproben können. Gleich mehrere Premieren an einem Abend für nur fünf Euro, das sollte ein Grund sein, der Netflix-Lethargie mal zu entkommen und sich in die reale Unterhaltungsszene zu begeben. Zum Schluss bekomme ich eine herzliche Umarmung und ein „Bis nächsten Monat!“, denn dass ich Donnerstag in vier Wochen wieder hier sein werde, weiß ich jetzt schon. Schließlich will ich meinen eskalativ sanften Lieblingsabend am 14. Dezember nicht verpassen.

     

    Fotos: Maren Petrich

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