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  • Stressfrei als Santa

    Heiligabend im roten Mantel

    Der Weihnachtsmann benutzt WhatsApp. Statt Milch und Plätzchen genießt er auch gerne mal einen Kaffee mit einer Kirschtasche und seine Daumen können hier und da kleine Verlet­zungen von handwerklichen Tätigkeiten außerhalb der Adventszeit aufweisen. Und doch verliert die seit Jahrhunderten bekannte Figur hinter dem weißen Bart auch 2017 nicht an Magie, selbst wenn man sie in Zivil trifft.

    Bescheren ist eine wahre Leidenschaft

    Bescheren ist eine wahre Leidenschaft

    Vielmehr kämpft der Weihnachtsmann auch heute mit unglaublichem Stress, wenn man bedenkt, dass er am Heiligabend laut Berechnungen rund 822 Besuche pro Sekunde abzuarbeiten hat. Um diesem nach Burn-Out klingenden Arbeitspensum Abhilfe zu schaffen, existieren in Deutschland vielerorts sogenannte Weihnachtsmannvermittlungen. Nachdem die Agentur für Arbeit in Leipzig 2012 den Beschluss fasste, keine Ver­mittlung mehr anzubieten, waren die lokalen Weihnachtsmänner jedoch erst einmal ratlos. Heute gibt es stattdessen die Nachbarschaftsinitiative Weih­­­nachtsmannzentrale Leip­­zig, die völlig anonym und nicht gewerblich die Bescherungen in der Stadt sichert. „Wir vermitteln nicht, wir bieten bloß eine Plattform“, erklärt der Gründer der Idee, der Weihnachtsmann von Liebertwolkwitz, Klaus Lehmann*. Seit 25 Jahren ist er selbst im Geschäft. Damals als Student schlüpfte er noch aus finanziellen Gründen in die schwarzen Stiefel, heute ist es einfach Leidenschaft. Immer wieder erscheinen kleine Lachfalten um seine Augen, wenn er von Tricks rund um die Bescherungen an Heiligabend oder auch bei Kindergartenbesuchen und Firmenfeiern erzählt.

    Bescheren will gelernt sein
    Auch wenn Klaus selbst sein Auftreten mittlerweile bis hin zu Augenbrauen aus Echthaar perfektioniert hat, kann nach seiner Meinung jeder in diese Rolle schlüpfen. „Es ist einfach ein Job, der Spaß macht und richtig Kohle bringt“, merkt er an. Als unterste Grenze gilt bei ihm ein Betrag von 25 Euro pro Bescherung, je nach Zufriedenheit kön­­nen die Familien dann selbst über die Höhe der Aufwandsentschädigung entscheiden. Dadurch hat man die nötigen Investitionen meist schon nach der ersten Bescherung wieder raus.
    Denn diese Figur soll auch im 21. Jahrhundert noch ihrem historischen Vorbild, dem heiligen Nikolaus, der einst an seinem Gedenktag, dem 6. Dezember, Geschenke brachte, gleichen. Auch wenn der typisch rote Mantel erst in den Zwanzigern hinzugedichtet wurde. Es bedarf doch noch einiger Vorbereitungen. Zu den unentbehrlichen Accessoires gehören neben dem roten Mantel, den schwarzen Stiefeln und dem Geschenkesack eben auch der weiße Bart und dazugehörige Augenbrauen. „Sonst fehlt da einfach was im Gesicht“, weiß Klaus aus Erfahrung. Besonders Kinder sehen dann eben nur die Figur und nicht den Menschen dahinter. Trotzdem ist das magische Geschenke-Verteilen gerade zu Beginn ohne Erfahrung anstrengender als man vielleicht vermutet. Wichtig ist daher vor allem auch die Vorbereitung auf den Heiligen Abend und auf die Bescherungen in der Vorweihnachtszeit. Beispielsweise muss das Kos­tüm sitzen, der Geschenksack groß genug sein und Adressen müssen vorher abgeklärt werden, auch wenn sich ein Weihnachtsmann meist nur auf einen Stadtteil konzentriert.
    Der meisten Tricks bedarf es allerdings bei der Bescherung selbst. „Warum hast du denn gar keine Rute dabei?“ – nichts ist in solchen Momenten schlimmer als zu zögern. „Brauche ich bei dir denn eine?“, erwidert Klaus dann. Eine Antwort hat er schließlich immer parat. Für ihn hat die Bescherung, wenn nicht anders gewünscht, einen genauen Ablauf, der vorher telefonisch abgeklärt wird. Im Haus der Familie wartet auf ihn ein Wäschekorb unter Verschluss mit den Geschenken, die er dann nur noch in seinem zwei Kubikmeter großen Sack verstauen muss. Darauf soll dann ein Zettel mit stichpunktartigen Informationen über alle Personen, unter anderem ihre guten und schlechten Taten, liegen. Zum Schutz vor Verwechslung geht der Zettel nach der Bescherung sofort wieder zurück zur Familie. Jeder muss für den Weihnachtsmann ein kleines Ge­dicht oder ein Weihnachtslied vortragen.

    Das magische Weihnachtsmannbuch

    Das magische Weihnachtsmannbuch

    Und selbst wenn Klaus das Handy heute als „Medium der Zeit“ betitelt, wird es während der Bescherung durch ein anderes, nahezu magisches Hilfsmittel ersetzt: das Weihnachts­mannbuch. Das sollte ein rotes Buch sein, wahlweise mit Goldschrift verziert, Klaus empfiehlt A4-Format. Da­rin lässt sich dann nicht nur der Zettel mit den Familieninformationen verstecken, sondern auch der ein oder andere Spickzettel für Gedichte oder sogar eine Uhr. Denn je detaillierter der Auftritt, desto überzeugender wirkt das Ganze auch für die Kinder, die ja schließlich der Mittelpunkt sind. Wenn das Kind sich freut, freuen sich alle.

    Voller Freude
    Schlimm ist für Klaus vor allem eines: Konsum und die Masse an Geschenken, die immer größer wird. Laut der Wirtschaftsprüfungsgesell­schaft Ernst & Young wollen die Deutschen dieses Jahr im Schnitt 266 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Doch eigentlich ist weniger erfahrungs­gemäß mehr, damit das Geschenk für die Kinder nicht völlig den Wert verliert. „Man versaut sonst die Ansprüche der Kinder“, klagt der Weihnachts­mann auf Zeit. Es müsse nicht jede Oma noch ein Geschenk mitbringen, ein einziges gut gewähltes Spielzeug begeistert am Ende viel mehr als zwanzig Barbie-Kartons. Genauso weiß er aber auch, dass sein Einfluss auf die vier Wochen im Dezember begrenzt ist. Manche Eltern erfragen sogar Tadel, doch am Ende sollte der Weihnachtsmann zwar die schlechten Taten kennen, nicht aber für Erziehungsfehler aufkommen. Für ihn sollte der Anreiz vielmehr darin bestehen, Freude zu schenken.
    Freude, vor allem aber Spaß, verschenkt der Weihnachtsmann von heute auch auf Firmenfeiern. Während man bei Kindern genau weiß, was sie von ihrem Gabenbringer erwarten, geben Weihnachtsfeiern einen gewissen Spielraum. In circa einer Stunde erfolgt hier eine Bescherung, bei der Rollenverhältnisse einmal gründ­­­lich umgekrempelt werden können. „Ich kann sagen, was ich will. Ich bin der Weihnachtsmann, auf der Weihnachtsfeier bin ich der Chef“, lautet hier das Motto. Doch auch über 2000 Jahre nach Christi Geburt und damit den Ursprüngen des Weihnachtsfestes, bleibt es eben das Fest der Liebe und Freude. Und so buchen ihn auch Firmen trotz mancher Witze auf ihre Kosten oft mehrere Jahre hintereinander, allein um der Freude wegen.

    Heiligabend einmal anders

    Der Liebertwolkwitzer Weihnachtsmann in Aktion

    Der Liebertwolkwitzer Weihnachtsmann in Aktion

    Aber verspürt man auch als Weihnachtsmann diese Freude? Offensichtlich. „Es ist so schön, dass ich es auch gemacht habe, als meine Kinder zuhause noch klein waren“, bestätigt Klaus mit seiner sanften, ruhigen Erzählerstimme, die nicht nur Kindern Wärme in die Herzen zaubert. Früher hat der Dienstälteste der Weihnachtsmannzentrale maximal vier Familien für Heiligabend an­ge­nommen, heu­­te liegt die Grenze bei zwölf. Schon jetzt ist der Terminkalender von 11 bis 17 Uhr gefüllt, erfahrungsgemäß kommen noch Anfragen bis zum 23. Dezember. Um 20 Uhr ist dann aber auch für den Weihnachtsmann der Heilige Abend gekommen. Seine Familie hat sich damit arrangiert, dass er am 24. als Mann im roten Mantel verschwindet und er selbst entflieht so zufrieden eben mal dem persönlichen Weihnachtsstress. Gerade für junge Menschen sei die Rolle daher eine gute Möglichkeit, dem alljährlich gefürchteten Weihnachtstrubel zu entgehen. „Man muss nicht das perfekte Fest erzwingen. Was zählt, ist am Ende die gemeinsame Zeit“, gibt Klaus zu bedenken.
    Nachwuchs ist tatsächlich gern gesehen, denn auch wenn sich in den letzten Jahren ein fester Stamm an Gabenbringern angesammelt hat, werden es immer weniger. Auch das Studentenwerk Leipzig verzeichnet ein eher geringes Interesse an Jobs als Weihnachts­mann, Studierende würden sich wenn dann eher auf Angebote auf dem Weihnachtsmarkt oder im Weihnachtsgeschäft konzentrieren. Über weibliche Vertreterinnen in Gestalt des Christkinds denkt man mittlerweile ebenfalls nach. Wichtig scheint allgemein nur die eigene Faszination für diese gewisse Dezem­bermagie. Als Kind verpasste der Mann, der heute selbst Erfahrungen im roten Mantel vor­­weisen kann, den Gabenbringer immer. Nie durfte er den Weihnachtsmann zuhause kennenlernen. „Jetzt kenne ich ihn vielleicht zu gut“, grinst er nur noch und zieht zufrieden seinen Kaffeebecher zu sich heran.

    *Name von der Redaktion geändert

     

    Fotos: privat

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