Katzenklo, Katzenklo – ja, das macht den Michel froh
Rezension zu „Je me tue à le dire“ bei den 23. Französischen Filmtagen
Einer der wohl kuriosesten Filme der Französischen Filmtage ist Je me tue à le dire (Wenn ich es oft genug sage, wird es wahr). Das zentrale Motiv des Films ist die Einbildung. Alle Charaktere leben mit einer Fata Morgana.
Der Zuschauer leidet mit Michel (Jean-Jacque Rausin). Seine Mutter (Myriam Boyer) ist an Brustkrebs erkrankt und das einzige, was sie tut, ist ihren Teppich saugen und ihre Katzen umsorgen. Für Außenstehende gehört sie wohl zu den gruseligen Katzen-Omas. Michel bildet sich unterdessen ein, Brustkrebs zu haben und seiner Mutter bald zu folgen. Er ist Hypochonder.
Unangenehm sind die Bilder und Szenen des Regisseurs Xavier Serons. Am Ende der Vorführung ist es eine Art Bestürzung, Traurigkeit und Hilflosigkeit, die den Zuschauer begleitet. Zu sehr hat sich die letzte Sequenz des Films eingebrannt. Es schwingt immer eine Melancholie mit. Seron hält seine Szenen in schwarz-weiß fest und setzt auf eine Ästhetik, der sich alles unterordnet. Die Handlung rundet alles ab. Es ist kein normaler Film, auch kein Drama, es ist wohl eher Kunst.
Der Hauptcharakter Michel wird leer ausgehen. Er verliert Freundin, Mutter und den vermeintlichen Brustkrebs. Seine Mutter erdrückt ihn mit Liebe, wenn sie zu ihm ins Bett steigt, während rechts von ihm noch die Freundin schläft. Serons Film ist also auch witzig und gleichzeitig etwas verstörend. Er macht ratlos und wirkt beklemmend. Der Protagonist Michel gleicht immer mehr seiner eigenen Mutter. Er riecht wie sie und simuliert ihre Krankheit. Der Tod rückt näher und desillusioniert beide skrupellos. Die Mutter trinkt schon ab der ersten Viertelstunde Literweise Schaumwein, um den Tod darin zu ersäufen, so scheint es dem Zuschauer, und Michel ist emotional instabil. Dabei versucht er doch stets mit dem Leben klarzukommen und der Mutter zu helfen, indem er zum Beispiel die Katzen wegbringen lässt. Doch er wird mit Unverständnis seitens der Mutter gestraft, die tagelang vergebens ihre Miezen sucht.
Michel wird dagegen wieder zum Säugling in Mutters Armen – Der Zuschauer erkennt hier eine Analogie zu Maria und Jesus Christus, grandios inszeniert von Seron. Eigentlich, so dämmert es jedem, leidet Michel schlichtweg am Ödipus-Komplex. Der Zuschauer muss mit ansehen, wie ein Außenseiter noch mehr isoliert und mit Verlust bestraft wird. Action ist demnach nicht zu erkennen. Der Film besticht durch seine Ruhe und Ästhetik, die auch die Zeit anzuhalten vermag. Zwischendurch sehnt man sich schon mal das Ende der eineinhalb Stunden Filmlänge herbei.
Die beklemmenden Bilder lähmen den Zuschauer für lange zwei Stunden, die sich in der Mitte noch etwas länger anfühlen. Seron zieht den Zuschauer immer tiefer in die Psyche Michels. Wer schwache Nerven hat, sollte den Film eventuell meiden. Er ist definitiv keine leichte Kost. Aber der Film besticht durch seine schlichte Eleganz und die teilweise makabreren Witze. Der Zuschauer verlässt das Kino mit Mitleid erfülltem Herzen und Bildern, die definitiv das Kurzzeitgedächtnis einige Zeit überleben werden.
In den Kinos ab: 14. Dezember 2017
Fotos: Copyright Film Kino Text
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