Sei kein Kulturbanause
Leipzig hat kulturell allerlei zu bieten – von Varieté-Theater über soziokulturelle Zentren und unzählige Museen bis hin zu geschichtsträchtigen Kirchen ist für jeden Kultur-Typen etwas dabei.
Baumwollspinnerei
Wo früher Produkte ausbeuterischer Tätigkeiten den Raum erfüllten, belebt ihn heute das freischaffende Individuum. Die Baumwollspinnerei – ein Ort für jedermann, vor allem aber für Kunst- und Kulturinteressierte. Zwölf Galerien und über 100 Ateliers sind mittlerweile auf dem ganzen Gelände verteilt. Manche davon sind ausgebaut worden und nun ausgestattet mit hohen weißen Wänden für die Ausstellung von Malereien, Fotografien und Installationen. So auch die Werkschau in Halle 12, welche aktuell die Ausstellung „Pictures for Donald“ präsentiert. Zahlreiche Fotografien zeigen die alltäglichen Momente geprägt von einer ästhetischen Spontanität. Auch sehr erwähnenswert: Die Schaukel mitten im Gebäude. Der Besuch dieser und aller anderen Galerien ist kostenlos. Ausnahme ist die HALLE 14, welche abgesehen von mittwochs zwei Euro Eintritt verlangt. Wer einen Besuch wagt, wird die Baumwollspinnerei als einen Ort voll an Inspiration und Narben der industriellen Zeit erleben. Mit all ihren Stahlträgern, abgeblätterten Wänden und grün-metallisch angelaufenen Decken hat sie doch einen besonderen Charme.
Jeden Freitag zwischen 12 und 16 Uhr und jeden Samstag zwischen 11 und 16 Uhr werden einstündige Führungen über das Spinnerei-Gelände angeboten. Mit eurem Studentenausweis seid ihr mit acht Euro dabei.
Annika Seiferlein
Musikalische Komödie
Die Oper ist dir zu formal, das Gewandhaus zu vornehm, trotzdem möchtest du nicht auf Hochkultur verzichten? Dann ist ein Ausflug nach Lindenau in die Musikalische Komödie genau das Richtige für dich! Die „MuKo“, wie sie liebevoll bezeichnet wird, ist ein Mehrspartentheater und gehört zur Oper Leipzig, allerdings mit einem eigenen Ensemble – bestehend aus Chor, Orchester und Ballettcompany. Schon mit dem ersten Schritt in das traditionsreiche Gebäude spürt man den besonderen Charme des Hauses. Entstanden ist es im 15. Jahrhundert aus der ältesten Gaststätte Lindenaus, in der einst sogar Napoleon genächtigt haben soll. Statt großen Opern kann man sich hier heute Musicals, Operetten, Tanztheater und Schauspielstücke in ungezwungener Atmosphäre ansehen. In der Spielpause essen Jeansträger gemeinsam mit Damen im Abendkleid Würstchen an den Stehtischen, Kinder rennen um Studentengruppen und Rentner machen es sich auf den roten Samtbänken gemütlich. Da die operneigene Juniorcard auch hier gilt, kann man damit an günstige Tickets für zehn Euro kommen. Die Stücke „Doktor Schiwago“, „Casanova“ oder das Ballett „Alice im Wunderland“ feiern in nächster Zeit Premiere und sind auf jeden Fall einen Besuch wert!
Sophia Blochowitz
Grassimuseum
Wandelt man durch die langen Gänge und Korridore des Grassimuseums, so verwundert es nicht, dass in diesem Gebäude expressionistischer Architektur gleich drei Museen vorzufinden sind. Schier unersättlich an Wissensdurst muss man sein, um an einem Tag alle Exponate der unterschiedlichen Ausstellungen zu besichtigen. Doch nicht nur als Hort kultureller Schätze verschiedenster Couleur – von zeremonieller Kleidung über Möbel bis hin zu Musikinstrumenten ist hier alles zu finden – sondern auch als architekturhistorisches Relikt der Weimarer Republik weiß der gesamte äußere Gebäudekomplex mit seinen Elementen des Art Déco und der Neuen Sachlichkeit zu überzeugen. Im Inneren ist das Betreten der Ausstellungen einer Reise in fremde Gestade gleich, wird man doch Raum für Raum in ferne, exotische Kulturen entführt und erblickt das Leben und die Mentalitäten der Altvorderen durch ihr eigenes Kunsthandwerk. Einmal entlassen aus dem Bann des Museums, verzehrt es einen recht schnell danach, in diesen wieder zurückzukehren. Denn als Palast des Fernwehs und des menschlichen Geschmacks lehrt es mehr über Kulturen, als es ein jede Pauschalreise vermag.
An jedem ersten Mittwoch im Monat ist der Eintritt frei. Sonst kostet eine Tageskarte für Studierende 5,50 Euro, eine Jahreskarte 21 Euro.
Tim Paul Büttner
Krystallpalast
Krystallpalast– ein schillernder Prachtbau, der vor Glanz und Großzügigkeit nur so strotzt? Pustekuchen. Urig, familiär und gemütlich geht es zu im Varieté-Theater in der Leipziger Innenstadt. Im beschaulichen Saal mit holzvertäfelten Wänden und Balkon sitzen die Zuschauer an Tischen, ordern Wein und Käseplatten statt Cola und Popcorn. „Vielfalt“ – die wörtliche Übersetzung dieses Genres ist Programm, auch in der aktuellen Show. Mit „La Fête – 20 Jahre Krystallpalast Varieté“ feiert das einzige Varieté Leipzigs Geburtstag und hat dafür Künstler aus aller Welt eingeladen. Ob Hut-Jonglage, Seil-Akrobatik, Papier-Kunst oder Rollschuh-Stunts, langweilig wird es nicht. Höchstens ein wenig albern. Zum Beispiel, wenn das Gastgeber-Duo das Publikum zum Klatschen animiert, dem Haus auf der Ukulele ein Geburtstagsständchen spielt oder sich in längst abgegriffenen englisch-deutschen Wortspielen versucht. Nichtsdestotrotz: Die Streetart-Show im Frühjahr hat definitiv eine Chance verdient!
Zu den aktuellen Veranstaltungen gehören „La Fête – 20 Jahre Krystallpalast Varieté“ (bis 3. März) und „FREESTYLE – Die Streetart Show“ (7. März bis 30. Juni). Mit eurem Studentenausweis gibt’s 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn Restkarten für fünf Euro an der Abendkasse.
Melina Heinze
naTo
Schon aus weiter Ferne ist das Anzeigeschild über dem Eingang der naTo zu erkennen und kündigt verheißungsvoll bevorstehende Veranstaltungen an. Das soziokulturelle Zentrum auf der KarLi ist ein Ort für jeden, der sich für Musik, Film und Theater in allen Formen interessiert. Früher fanden im damaligen Haus der „Nationalen Front“ Film- und Tanzabende, aber auch Treffen von SED und Stasi statt. Seit den 80er Jahren hat sich einiges getan und heute werden von der naTo nicht nur Kulturveranstaltungen, sondern auch Workshops und einmal jährlich sogar ein Seifenkistenrennen ausgerichtet. Das Programm ist vielfältig und abwechslungsreich. Ob man nun Liebhaber polnischer Filme, begeistert von Zwei-Mann-Theaterstücken oder bekennender Jazz-Fan ist – enttäuscht wird hier niemand! Der Saal, gleichzeitig Kino und Theaterbühne, bietet die Möglichkeit, sich in die rotgepolsterten Stühle zurücksinken zu lassen und gespannt darauf zu warten, was einen an diesem Abend erwarten wird. Und wer nach einer gelungenen Vorstellung noch Lust auf ein Bier oder ein Limette-Rosmarin-Baguette hat, kann es sich die ganze Nacht in der hauseigenen Kneipe der naTo gemütlich machen.
Tickets für Live-Veranstaltungen gibt es im Vorverkauf bei Culton Ticket (Peterssteinweg 9) und im Online-Shop.
Ruth Krötz
Theater der Jungen Welt
Bei vielen Dingen lohnt es sich, sie ab und an durch Kinderaugen zu betrachten. Und eine Institution die sich oft so elitär und wichtig nimmt wie das Theater, liegt dafür natürlich nah.
Im Theater der jungen Welt direkt am Lindenauer Markt werden Stücke vordergründig für Kinder und Jugendliche inszeniert. So sind es vor allem Klassiker der Weltliteratur, die einem Publikum nahegebracht werden sollen, dass im digitalen Zeitalter geboren wurde. Zum festen Repertoire gehören daher Werke nach Shakespeare, Lessing oder mit „Die Verwandlung“ ab diesem Jahr auch Kafka. Um zu sehen, dass der Ansatz aufgeht, braucht man nur eine Vormittagsvorstellung für Grundschulklassen zu besuchen. Natürlich ist es ein bisschen unruhiger im Saal und das Gelächter beim Wort „Pups“ ist um einiges lauter als in einem Theaterstück nur für Erwachsene. Aber auch die „Ohs“ und „Ahs“ bei jedem Bühneneffekt und das Staunen in den Augen, wenn Alice gegen den Jabberwocky kämpft, könnten nicht größer sein. Die Stücke in Abendvorstellungen, wie „Das Abschiedsdinner“, richten sich natürlich an ein reiferes Publikum, doch die Beschreibung „Kinderstück“ sollte im TdjW niemanden abschrecken. Eine wirklich sehenswerte Besonderheit des Theaters bildet nämlich der Einsatz von Puppenspiel, wie momentan zu sehen in „Der kleine Prinz“ und „Die süßesten Früchte“, dessen Zauber man sich eigentlich in keinem Alter entziehen kann oder sollte.
Studierende bezahlen sechs Euro Eintrittspreis, für Premieren wird ein Aufschlag von drei Euro pro Karte erhoben.
Lisa Marie Schulz
Thomaskirche
Viele Touristen kommen nur, um einen Blick auf das berühmte Grab Johann Sebastian Bachs zu werfen, das dürfte den meisten Studenten nicht neu sein. So auch mir nicht und doch war dieser Artikel für mich der erste Anlass, tatsächlich zu erfahren, was Bachs Vermächtnis eigentlich heute noch für Leipzig bedeutet. Der Thomanerchor mit seinen ausschließlich männlichen Sängern zwischen neun und 18 Jahren ist deutschlandweit bekannt. Nicht nur für seine Qualität und seine mehr als 800 Jahre alte Tradition, sondern vor allem für seine einstige Leitung durch Bach selbst. Trotz dieses beachtlichen Prestiges ist der Wunsch, die Leipziger Knaben einmal live zu erleben, keinesfalls ein Griff nach den Sternen. Tatsächlich ist es sogar überraschend einfach und sogar kostenlos. Jeden Freitag um 18 Uhr und jeden Samstag um 15 Uhr begleitet der Thomanerchor die in der Thomaskirche gehaltenen Motetten mit eindrucksvollen Gesangseinlagen. Ob man sich nun als besonders frommer Zeitgenosse erachtet oder aber meint, mit dem lieben Gott gar nichts am Hut zu haben, ein Besuch der etwa einstündigen Gottesdienste lohnt sich in jedem Fall. Die Harmonien nicht nur von Bach, sondern auch von Bartholdy und anderen Komponisten, die hier virtuos entweder auf der Orgel aufgespielt oder für den Thomanerchor arrangiert werden, gingen zumindest mir weit über den Verstand.
Conrad Meißner
Museum in der „Runden Ecke“
Im Eingang begrüßt die Besuchenden ein riesiges Banner: „Dieses Gebäude wird im Auftrag der Regierung und des Bürgerkomitees durch die Volkspolizei gesichert“. Wer sich hiervon nicht abschrecken lässt, kann eine Führung durch die ehemaligen Räume des Ministeriums für Staatssicherheit buchen. Zwischen vergilbten Linoleumböden und Blümchenvorhängen erklärt der Museumsführer, wie der Staat den Überwachungsapparat errichtete und damit seine Bürger ausspionierte. In den Erzählungen und Räumen wirkt die bedrückende Zeitgeschichte dieses Ortes präsent. Ausgestellt wird alles, was die „Stasi“ zu bieten hatte, von Abhörgeräten und Handtaschenkameras bis zu Aktenschredderrn und Kalaschnikows. Gegen Ende der Führung gelangt man zu einer Zelle für Untersuchungshäftlinge. Ihre Einrichtung: zwei Betten und ein Klo, mein anfängliches Unwohlsein wandelt sich in Betroffenheit. Ehrlich gesagt war ich am Ausgang ein wenig erleichtert wieder Tageslicht zu sehen. Trotzdem werde ich den Besuch wohl nicht so schnell vergessen. Jedem, der sich unverklärt mit einem düsteren Kapitel deutscher Geschichte auseinandersetzen möchte, sei das Museum in der Runden Ecke wärmsten empfohlen. Der Besuch ist übrigens kostenlos.
Das Museum hat an jedem letzten Wochenende im Monat jeweils von 13 bis 16 Uhr für euch geöffnet.
Max Brose
Titelfoto: Lisa Marie Schulz
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