Kaffeesatzposterei
Die student!-Sonntagskolumne. Kolumnist Alexander über das Phänomen, wenn der wichtigste Filter beim Kaffeetrinken nicht mehr der Kaffeefilter ist.
Traumstände, hohe schneebedeckte Gipfel, atemberaubende Moves auf krassen Dancefloors in stylishen Diskotheken… all das sehe ich nicht auf meiner Instagram-Timeline. Stattdessen Fotos von Kaffee, lieblos angerichteten Nudeln und Turnschuhe garniert mit einem fröhlichen Fitnessspruch (schon klar, es ist Anfang des Jahres und man braucht den Druck der Community, um seine Vorsätze zu verwirklichen… trotzdem frage ich mich manchmal: Wieso?).
Den Gipfel der Redundanz erreicht haben aber vor allem die Kaffeebilder. Aus verschiedenen Perspektiven fotografiert, sieht er immer gleich aus: Weiße Tasse, schwarzer Kaffee. Variation kennen diese Bilder nur vom Milchgehalt. That’s Vielfalt. Manchmal ist der Kaffee auch ganz schüchtern und verbirgt sein Angesicht in einem meist hässlichen Pappbecher, um zu symbolisieren, dass der Konsument es sagenhaft eilig hat und gezwungen ist, seinen Kaffee to go einzunehmen. Zeit für ein Foto und einen adäquaten Filter scheint dennoch vorhanden zu sein.
Kaffee ist flüssig und Fotos von dem selbigen überflüssig. Dennoch stauben diese uniformen Bilder viele Likes ab, sodass dem fleißigen Hashtagverwender auch mannigfaltige Vorschläge gemacht werden: #coffeelover #coffeecup #coffeetime, sogar #coffeeporn befindet sich weit vorne. Wobei das vielleicht interessant sein könnte.
Der Erfolgsgrund für das Phänomen ist wahrscheinlich die Leichtigkeit der Identifikation mit den Kaffeebilder-Publishern: Jeder ist müde. Jeder hasst Montag und Arbeit. Jeder glaubt an den belebenden Kaffee, der das Leben augenblicklich einen Schluck besser macht. Implizit sagt das Posten eines Kaffeebildes doch nichts anderes als: „Seht her! Mir geht es genauso schlecht wie euch. Deswegen trinke ich Kaffee!“. Kaffeebilder sind ein sehr integratives Element auf Instagram. So gesehen bist du Teil einer echten Erfolgsstory, wenn deine Timeline von Kaffeebildern überschwemmt ist. Oder du hast einfach nur langweilige, weinerliche Freunde. Vielleicht bist du auch selbst einfach nur langweilig und weinerlich. Denn irgendwo auf der Welt macht ja jemand auch Fotos von faszinierenden Sachen. Oder?
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