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  • Gottes Sohn trägt graue Haare

    „Dieser Heiler ist anders“ ist das Erste, was Maria Magdalena über Jesus von Nazareth hört. Und doch reicht ihr das, um sich seiner Gefolgschaft anzuschließen.

    Lasst mich gleich am Anfang klarstellen: Überzeugter Atheismus und fehlendes Interesse haben dazu geführt, dass mein gesamtes Wissen über Jesus einer illustrierten Kinderbibel entstammt – und deren Lektüre liegt Jahre zurück.

    Insofern kommt mir auch die Handlung von „Maria Magdalena“ nicht wirklich bekannt vor: Die junge Maria Magdalena (Rooney Mara) arbeitet in einem Fischerdorf als Geburtshilfe. Ihr Vater will seine Tochter so schnell wie möglich verheiraten, doch die sträubt sich gegen die Fesseln der Ehe und fällt damit in ihrer Heimat in Ungnade. Sie lässt ihre Arbeit, ihr Zuhause und ihre Familie zurück, um sich als einzige weibliche Jüngerin der Gefolgschaft von Jesus von Nazareth (Joaquin Phoenix) anzuschließen, die auf einer spirituellen Reise zum Passahfest nach Jerusalem ist.

    Klingt vielleicht spannend, ist es aber nicht. Maria Magdalena erscheint in ihrem ganzen Wesen etwas zu naiv und starrt meist nur mit leerem Blick in die Gegend. Sie ging mir sehr schnell auf die Nerven – nicht gut für eine titelgebende Hauptfigur. Rooney Mara zeigt hier nicht wirklich ihr Können und Joaquin Phoenix ist meiner Meinung nach vor allem eins:  grandios fehlbesetzt. Sein Jesus von Nazareth ist ein bisschen zu ergraut, ein bisschen zu melancholisch, ein bisschen zu arrogant. Und – möge man mir verzeihen – ein bisschen zu gebrechlich. Wie schon gesagt, ich kenne mich nicht aus mit dem Christentum, habe keine Ahnung von Jesus und bin durchaus der Meinung, dass ein paar Charakterschwächen einer Filmfigur guttun. Aber wie die Jünger einem älteren Mann blind vertrauen und quer durchs Land folgen, obwohl dieser Schwächeanfälle hat, sobald er vor Menschen von seinem Glauben spricht, das wird nicht nur mir ein wenig merkwürdig erscheinen. Wie dem auch sei, als Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit kann ich Phoenix nicht so richtig ernst nehmen.

    Nebenfiguren wie Judas erscheinen interessanter aus die Hauptcharaktere des Films

    Nebenfiguren wie Judas erscheinen interessanter aus die Hauptcharaktere des Films

    Die Handlung schleicht währenddessen so langsam voran, dass man sich fast die Kreuzigung herbeiwünscht. Diese ist dann zwar der emotionale Höhepunkt des Filmes, aber nach etwa einer Minute auch wieder vorbei. Spannende Handlungsstränge scheint man um jeden Willen vermeiden zu wollen. Stattdessen setzt man auf langes Starren (in die Weite oder zueinander) und zahlreiche Momente, welche die Geschichte nicht voranbringen, aber leider auch nichts zu Stimmung und Charakterbildung beitragen.

    Am Ende bleibt bei mir vor allem Verwunderung. Wie schafft es „Maria Magdalena“, alles nur anzudeuten, nichts zu Ende zu erzählen und das Ganze dann noch auf zwei Stunden auszuwalzen? Und wie kann es sein, dass Nebenfiguren mit wenigen Sätzen interessanter und vielschichtiger erscheinen als der Sohn Gottes? So zum Beispiel Petrus (Chiwetel Ejiofor), der seinen kleinen Sohn zurücklässt, um Jesus zu folgen, seiner „einzigen Wahrheit in der Welt“. Oder Judas (Tahar Rahim), der sich in seinem Glauben verraten sieht und schließlich an seinem Verrat zugrunde geht.  Im Vergleich dazu erscheinen Maria Magdalena und Jesus eindimensional und blass.

    Bis zur letzten Minuten habe ich auf eine Entwicklung gewartet, die mich diesen Figuren irgendwie emotional näherbringt oder die Beziehung zwischen ihnen intensiviert – leider vergebens. Selten habe ich bei einem Film so wenig mitgefiebert und mich so wenig für die Charaktere interessiert. Sehr schade.

    Trotz toller Landschaftsaufnahmen und einer durchaus stimmungsvollen Inszenierung kann „Maria Magdalena“ diese großen Schwächen nicht ausgleichen. Die Geschichte des Jesu von Nazareth aufarbeiten und aus der Sicht seiner einzigen weiblichen Jüngerin erzählen? Es gelingt nicht.

     

    In den Kinos ab: 15. März 2018

     

    Fotos: Copyright 2018 Universal Pictures International

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