Zwischen Zukunftsmusik und kreativem Engagement
Tagebuch zur Leipziger Buchmesse am 15. März 2018: Zwischen Menschenmassen und Bücherstapeln gibt es Einblicke in die Arbeit engagierter Menschen und in Zukunftsvisionen.
Ich liebe Bücher. Seit meiner Kindheit sind sie mein treuer Begleiter, mein Trostspender und mein Zufluchtsort. Die Buchmesse wird für mich zum intellektuellen und kulturellen Eldorado. Fast berauscht von dem Gedanken mich an einen Ort zu begeben, an dem ich überall von Büchern umgeben bin und von Menschen, die meine Passion für Literatur teilen, mache ich mich direkt um 10 Uhr auf den Weg zum Messegelände. Der Tag beginnt mit dem Vortrag „Buchmarketing: Survival of the Fittest?“. Nach einer kurzen Einführung in das Thema durch Holger Ehling übernimmt Ehrhardt F. Heinold. In seinem knackigen und anschaulichen Vortrag spricht er über den Weg vom Buch zum Kunden, über das Umdenken von Marketing-Strategien und über ein mir verhasstes Wort: Content. Inhalte gibt es immer, egal in welcher Form. Damit man Bücher besser vermarkten kann, muss man sie teilen. Am besten so kreativ und ansprechend wie möglich. Auf die breite Masse abgestimmt, um Gewinn zu machen. Heinold betont die Wichtigkeit sozialer Medien wie Facebook, Instagram und Blogs. Wer die meisten Klicks, die größte Reichweite bekommt und sich gegen den gefürchteten Instagram-Algorithmus durchsetzt, kann sich selbst auf die Schulter klopfen. Trotz dieser im ersten Moment einfach scheinenden Methode müssen Verlage und Buchhändler um ihre Leser kämpfen. Obwohl eine breite Masse angesprochen werden soll, müssen Menschen einzeln erreicht werden. Buchhandlungen brauchen innovative Konzepte und engagierte Mitarbeiter, die auch über die Bestseller-Listen hinaus lesen. Content, nicht nur auf Instagramfeeds, sondern auch in den Büchern und Buchhandlungen selbst. Persönlicher Austausch, und das betont Heinold am Ende seines Vortrags, sei nach wie vor unabdingbar, um den Buchmarkt weiter voranzutreiben.
Bevor ich zu einem nächsten Vortrag gehe, schaue ich noch bei MDR Kultur vorbei, um Bernhard Schlink in einem Gespräch über seinen neuen Roman „Olga“ sprechen zu hören. Dieses Unterfangen gebe ich allerdings nach wenigen Minuten auf, da ich von den drängenden Menschenmassen eingeengt werde und ohnehin nichts sehen, geschweige denn hören kann. Auf dem Weg zurück zum Fachforum in Halle 5 schaue ich mir nochmal ein paar Stände von Verlagen an. Besonders gefallen hat mir der Dumont- und Ullsteinstand. Die Auswahl an aktuellen Büchern ist grandios und die Mitarbeiter herzlich. Eine tolle Leseempfehlung gibt es obendrauf.
„Odyssee 2050 – Wohin geht‘s mit den Verlagen?“ ist wiederum eine Frage, die ich mir von allein wohl nicht gestellt hätte. Ernst-Peter Biesalski und Heiko Hartmann wagen eine Reise in die Zukunft. Ging es am frühen Morgen noch um Marketing, geht es jetzt um den Kampf als Verlag, als Mitarbeiter der Bücherwelt, zu überleben. Ein bisschen erinnert mich das Entrée des Vortrags an Mark Uwe Klings „Qualityland“, denn in der Zukunft der Literatur lautet die Antwort auf alles: Benutzerdefiniert. Kinder bekommen durch einen Roboter für ihre Altersklasse entsprechend gerechten Lesestoff, durch ein Onlinesystem werden Bücher, die zum eigenen Leseverhalten passen, direkt zugeschickt, das Börsenblatt gibt es schon längst nicht mehr und in der Universität muss keine Prüfung mehr geschrieben werden, es reichen ausreichend Markierungen und sinnvolle Randnotizen, um Prüfungsleistungen anerkannt zu bekommen. Bevor Biesalski und Hartmann ihren Vortrag beenden, sitze ich zwischen Verlegern, Buchhändlern und Mitarbeitern der Buchbranche. Ich fühle mich unwohl und ernte den ein oder anderen schiefen Blick für meine Reebok-Sneaker und meinen Cardigan, mein Mitschreiben wird teils belächelt. Dennoch freue ich mich, der nächsten Veranstaltung beiwohnen zu dürfen. Der Sales Award, eine Auszeichnung für herausragende Leistungen in Vertrieb und Verkauf, wird vergeben. Obwohl mein eigentlicher Plan war, mich auf Bernhard Schlink und Peter Stamm samt ihrer neuen Romane zu fokussieren, bin ich daran interessiert zu erfahren, wie die Welt hinter meinen Bucheinkäufen abläuft. Es wäre zu viel, alle Nominierten und Preisträger hier aufzuzählen, aber die Gewinnerin des Hauptpreises hat es mir besonders angetan. Dorothee Junk, die in Köln-Nippes die Buchhandlung „Neusser Straße“ führt, hat durch ihr Engagement das Viertel zu neuem Leben erweckt. Obwohl sich eine andere Buchhandlung direkt gegenüber niedergelassen hat, hat Junk weiterhin gute Umsätze gemacht und sogar noch ein zweites Geschäft eröffnet, in dem sie unteranderem Papeterie vertreibt. Auch Maria-Christina Piwowarski von der Buchhandlung ocelot in Berlin-Mitte war für den Hauptpreis nominiert. Obwohl sie ihn nicht erhalten hat, bin ich, seitdem ich ihr Instagramprofil regelmäßig anschaue und inzwischen öfter im ocelot war, begeistert von dieser herzensguten Frau, die Literatur lebt und liebt. Eins aber haben alle Nominierten wohl gemein: Sie sind engagierte Menschen, die ihre Leidenschaft für Bücher nutzen, um anderen Menschen einen Teil davon auf den Weg mitzugeben. Überzeugt euch davon am besten selbst!
Bevor ich meinen Messetag beende, schaue ich noch bei der Signierstunde von Guido Maria Kretschmer in der Buchhandlung Ludwig im Leipziger Bahnhof vorbei. Ähnlich wie auf der Messe tummeln sich hier Menschenmassen und sprechen über Kretschmers Bücher, die für ihren fast schon poetischen Schreibstil und ihre Schmeicheleien für menschliche Körper bekannt sind und die Leser mit einem guten Gefühl zurücklassen. Ich muss lächeln, als ich in die Gesichter der Menschen um mich schaue und denke: Literatur begeistert. Was für ein Glück!
Fotos: Patricia Stövesand
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