Der Wahrheit verpflichtet
Nach animierten Trickfilmen zur Eröffnung, wendete sich das Kurzsuechtig-Filmfestival am Freitag den Dokumentationen zu.
Der Regisseur Serj Eisenstein soll einmal gesagt haben, dass es bei einem guten Film nicht um die Wirklichkeit sondern um die Wahrheit ginge. Daher zeichnet es einen guten Dokumentarfilm aus, wenn er die Authentizität sucht und gleichzeitig dabei offenlegen möchte, was sich hinter dem Gezeigten verbirgt.
Auch die auf dem Kurzsuechtig- Filmfestival gezeigten Dokumentarfilme, fünf an der Zahl, mussten sich daran messen lassen. Größtenteils eher experimenteller Natur und gespickt mit unkonventionellen und erfrischenden Ansätzen, offenbarte sich eine gelungene Bandbreite an inhaltlichem und handwerklichem Talent. Eröffnet wurde der Abend mit „Die Wirkung des Geschützes auf Kanonendonner“ (Regie: Juliane Jaschnow & Stefanie Schroeder), einer symbolgeschwängerten und interpretationsoffenen Auseinandersetzung mit der heutzutage allgegenwärtigen Shitstorm- Problematik in unserer Gesellschaft. Die durchaus interessanten Ansätze verloren sich dabei jedoch zusehends in ihren kryptischen Bildern und blieben zu unkonkret. Hier wäre der Film sicherlich in der Kategorie „Experimentalfilm“ besser aufgehoben gewesen.
Darauffolgend wurde der Film „Über den Dingen“ (Regie: Florian Schurz) gezeigt, der sich pointiert und mit eher ungewöhnlichen Bildern einem Gespräch zwischen zwei Männern über Gott und die Welt widmet. Ebenso wie die beiden Protagonisten, observiert man von einem Baustellenkran aus die unterschiedlichsten Szenarien der Stadt und lauscht dabei dem Dialog aus dem Off. Dieses interessante und gelungene Konzept wird nur durch den Umstand getrübt, dass sich das Gespräch weder als sonderlich unterhaltsam noch als tiefgründig erweist und äußerst banal vor sich hin plätschert.
Als drittes im Bunde folgte „Memories Happiness Day“ (Regie: Duc Ngo Ngoc), der eigentlich einen Ausschnitt aus einem wesentlich längerem Kinofilm des Regisseurs darstellt. Trotzdem ist er durchaus für sich selbst zu betrachten, da das in ihm dargestellte Geschehen eigenständig und in sich geschlossen ist. Handwerklich äußerst souverän, folgen wir einem vietnamesischen Ehepaar, welches ihr Hochzeitsfoto nachholen möchte. Den subtilen Humor und die sanfte Bildersprache honorierte die Jury am Ende des Tages mit dem Jury-Preis.
Die Herzen des Publikums und deren Preis gehörten jedoch „Mich vermisst keiner!“ (Regie: Erik Lemke). Voller Tragik erzählt der Film von Evelin, die, seit dem ihre Beine amputiert wurden, ein Leben in völliger Einsamkeit fristet. Von Freunden und Familie verlassen, hängt sie in ihrer Wohnung fest und nur der Fernseher vermag ihr eine Illusion von Gesellschaft zu geben. Rückblenden erzählen von ihrem alten Leben als Mann in der DDR, bevor sie sich einer Geschlechtsoperation unterzog. Dabei verfällt der Film nie in erzwungene Sentimentalität, sondern schmerzt schon fast durch seine trockene Nüchternheit.
Den krönenden Abschluss markierte schlussendlich „Oh Brother Octopus“ (Regie: Florian Kunert), der eine lobende Erwähnung der Jury erhielt und gleichzeitig sowohl inhaltlich als auch handwerklich brillierte. Hierbei nimmt uns der Regisseur mit in die Glaubenskultur der indonesischen Seenomaden und der Slumbewohner von Jakarta. Deren Elend, so der Glaube, ist die Strafe für die Missachtung der Menschen der Tier- und Pflanzenwelt gegenüber. Damit ist „Oh Brother Octopus“ durch seine bewegenden und gleichzeitig einschüchternden Bilder und der herausragenden Tongestaltung der beeindruckendste Dokumentarfilm des Festivals.
Die anschließende Podiumsdiskussion mit den Filmschaffenden rundete die Veranstaltung gelungen ab und entließ einen mit dem Gefühl durchweg unterhalten worden zu sein in den sommerlichen Abend.
Fotos: Die Fotorechte liegen bei den jeweiligen Filmemachern.
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