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  • Wenn du denkst, dass du denkst

    Das Theater der Jungen Welt bringt mit „Kann das Gehirn das Gehirn verstehen“ einen Hauch von Neurowissenschaften auf die Bühne.

    Wir befinden uns im „Affen-Theater-Labor-Zirkus“. Mit uns in der Manege: Zwei Hirnforscher, zwei Mediziner, eine Amnesie-Patientin, ein Sprechchor, eine Kasperle-Puppe und ein Affe. Wir erleben ein Stück voller Forschungsgeschichte rund um das Thema Gehirn. Von Alleskönner Aristoteles‘ Behauptung, das Gehirn sei lediglich ein Kühlorgan bis zu Franz Joseph Galls Idee einer funktionalen Gliederung des Gehirns wird hier so einiges an Geschichte abgedeckt. Aktuellere Forschung fließt dabei zum Beispiel in Form der Magnetresonanzspektroskopie mit ein. Um die Errungenschaften der Hirnforschung darzustellen, werden historisch erkenntnisreiche Experimente herausgepickt und auf der Bühne demonstriert. Fast immer muss dafür Versuchsaffe Jens herhalten, manchmal aber auch die Kasperle-Puppe – Sidekick der beiden Mediziner. Über allem schwebt dabei die Frage nach freiem Willen.

    Eine elektrode mitten ins Gehirn von Versuchsaffe Jens

    Gib dem Affen Elektroden ins Gehirn

    Die Inszenierung ist ein wahres Multi-Media-Spektakel: Schauspiel, Puppenspiel, Video, Live-Musik, Info-Kacheln. Häufig werden wird das Publikum auch direkt angesprochen – wie im Zirkus eben. Dabei schafft Regisseurin Tatjana Rese die Gratwanderung zwischen moderner cooler Abwechslung und Überstimulation – nichts wirkt überladen oder unruhig.

    Okay, fast nichts. Die Kostüme sind schon etwas chaotisch und verhindern, dass man das Stück allzu ernst nimmt. Dafür ist der Komik- und Unterhaltungswert umso größer, wenn beispielsweise die Forscher versuchen, sich mit ihren Experimenten gegenseitig zu übertreffen und die Forschung des jeweils anderen zu widerlegen. Später nähern sie sich dann in einem ironisch erotischen (Sprech-) Gesang, in dem Gehirnstrukturen erörtert werden, an und merken, dass man in der Wissenschaft nur als Team weiterkommt. Als Physikerin, die sich in ihrer Freizeit regelmäßig Wissenschaftsparodien à la „The Molecular Shape of You“ auf YouTube anguckt, fand ich diesen Teil mit Abstand am besten.

    Amnesie-Patientin über Wahrheit und Vertrauen

    Ohne Erinnerungen durchs Leben schaukeln ist gar nicht so leicht.

    Die Zirkus-Stimmung wird direkt in der ersten Monolog-Szene, worin Amnesie-Patientin-Darstellerin Laura Hempel in einem Vertikaltuch hängt, eingeleitet. Das Tuch ist hierbei natürlich nur Stilmittel, es gibt keine Akrobatik. Zwischendurch beantworten immer wieder Personen in Videocollagen Fragen zum Denken und Fühlen (Zum Beispiel: Wie fühlt sich rot an?) und laden dazu ein, für sich selbst auf die gestellten Fragen Antworten zu finden. Manchmal gar nicht so leicht. Was weiß ich denn, wie sich rot anfühlt. Wie rot eben. In diesem Stück verschwimmen die Grenzen der Hirnhaut und man vermag kaum zu unterscheiden, ob sich das, was die Schauspieler darbieten, gerade in den Köpfen oder in der Realität der Charaktere abspielt. Oder ist das alles nur in meinem eigenen Kopf?

    Natürlich kann weder die Frage „Kann das Gehirn das Gehirn verstehen?“, noch „Haben wir einen freien Willen?“ beantwortet werden. Ganz im Gegensatz zur Frage „War ‚Kann das Gehirn das Gehirn verstehen‘ ein unterhaltsamer Theaterabend?“. Da lautet die Antwort „Definitiv“.

     

    Nächste Aufführungen: 22. April, 23. April, 23. Mai, 24. Mai

     

    Fotos: Stefan Hoyer

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