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  • Vom provinziellen Weimar in die Welt

    Das Bauhaus feiert seinen 100sten Geburtstag. Die Dokumentation „Vom Bauen der Zukunft 100 Jahre Bauhaus“ lässt alle Kinobesucher mitfeiern. Wenn Walter Gropius das sehen würde – er wäre begeistert.

    Vor 100 Jahren gründete Walter Gropius, ein Visionär der Moderne, eine Kunstschule mitten in der deutschen Provinz. Heute werden seine Ideen als Ebnung zu einer neuen Epoche in Architektur und Kunst verstanden. Diese aufregende Geschichte hält die neue Dokumentation „Vom Bauen der Zukunft – 100 Jahre Bauhaus“ fest. Stupides Abarbeiten der Daten und wichtiger Persönlichkeiten des Bauhauses ist dabei zu oldschool. Die Schule präsentiert sich eben so, wie sie ist und war, als einen Ort für Moderne.

    Der Dokumentation versucht einen Bogen zwischen Gestern und Heute zu spannen. Sie beginnt am Anfangspunkt der Architekturrevolution – im beschaulichen und bürgerlich-konservativen Weimar. Um den Innovationen der Bauhaus-Gründer zu folgen, braucht der Kinobesucher nicht sein Wörterbuch der Architektur zu suchen und zu entstauben. Vielmehr geht es um den Menschen in seiner Umgebung und dessen Bewegungen im Raum. Selten hat eine Dokumentation so anschaulich und mit so viel Einprägsamkeit die Grundzüge einer ganzen Kunsttheorie erklärt. Dabei nutzen die Macher Niels-Christian Bolbrinker und Thomas Tielsch bewährte Mittel des Filmgenres. Die langatmigen Szenen und ruhigen Schnitte verwandeln das Kino im Bauhauskomplex in Dessau, wo die Schule nach ihrem Umzug ein architektonisches Denkmal baute. In den Interviews mit den Professoren wird die Theorie mit Bauklötzchen und anderen Materialen lebendig. Besonders sympathisch ist ein Absolvent der Schule, der den Zuschauer mit seinem kanadischen Akzent in die Welt von vor 100 Jahren entführt. Ebenfalls packend sind die Ausschnitte des Bauhaus-Choreographen, der die Grenzen zwischen Mathematik, Informatik und Tanz aufbricht.

    Was damals so avantgardistisch erschien, kennt heute jeder. Die Geradlinigkeit und Schlichtheit, die geometrischen Formen und die Möbel von Marcel Breuer, der mit der Verwendung von Stahlrohren den Stuhl revolutionierte, finden wir überall. Das ist es auch, was die Dokumentation vermittelt: Das Bauhaus war keine Eintagsfliege. Ganz im Gegenteil, es ist heute omnipräsent und entspricht dem Bild der Moderne. Ein gutes Drittel des Films verbringt der Kinobesucher in den Favelas Kolumbiens. Denn die Dokumentation glorifiziert nicht nur die Geschichte, sondern blickt auch auf die neuen Aufgaben der Architektur und, man mag es kaum glauben, kritisiert das Bauhaus und stellt fest, welche urbanen Konzepte zu abstrakt waren.

    Diese Dokumentation gibt dem Unkundigen viele Aha-Momente und dem Bauhaus-Fan weiche Knie. Eine kleine negative Kritik gibt es am Ende dann doch: Leider sind die aktuellen Studierenden der Bauhaus-Universität nur zweimal und die weiße Stadt, Tel Aviv, als Zentrum des Bauhaus-Stils nach 1945 gar nicht zu sehen – da hat die Dokumentation den Bogen zur Gegenwart leider nicht so richtig gespannt.

     

    In den Kinos ab: 26. April 2018

     

    Foto: Copyright Neue Visionen Filmverleih

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