Geschichten unter dem Gras
Eintrittsgelder, Lustschlösser und ein gebrochenes Herz – Leipzigs Parks verstecken unter ihren Blumenbeeten und grünen Wiesen interessante Einblicke in die Vergangenheit der Stadt.
Leipzig rühmt sich, eine aktive Stadt mit lebendigen Bürgerinitiativen zu sein. Schon im 18. Jahrhundert hat eine Bürgerbewegung die Begrünung des Innenstadtrings bewirkt, der noch heute das Stadtbild prägt. Noch fünf Jahrhunderte älter ist der Johannisfriedhof, der sich hinter dem Grassimuseum befindet und Ruhestätte von Goethes Jugendliebe Käthchen Schönkopf ist.
Die Grünflächen von Leipzig bieten weitaus mehr als nur eine Liegefläche zum Lesen oder Sonnentanken. Journalistin Petra Mewes hat mit Landschaftsgestalter Peter Benecken für das Regionalbuch „Leipzigs Grün“ die Parks der Stadt erkundet und war begeistert von der Fülle an Anekdoten und Entwicklungen. In dem Buch schreibt Mewes über die Entwicklung von 90 Grünflächen in und um Leipzig. So begann die Stadt vor allem im 20. Jahrhundert aufgrund der raschen Bevölkerungszunahme, viele Parks für ihre Bewohner anzulegen. Gerade ärmeren Familien sollte so ein Platz für Spiele und Sport im Freien geboten werden. Grünflächen wie der Volkspark Stünz oder der Mariannenpark sind zu genau diesem Zweck entworfen worden. Auch der Palmengarten, der sich bis zu den 1930er Jahren mittels Eintrittsgeld eher auf eine gehobene Bürgerschaft spezialisierte, musste sich aufgrund der Wirtschaftskrise dem entgeltlosen Trend anpassen und öffnete seine Tore für Allgemeinheit.
Die wohl tragischste Geschichte umgibt den Johannapark westlich der Innenstadt. Johanna Seyfferth war die Tochter eines Bankiers, der sie mit einem Geschäftspartner verheiratete. Dass Johannas Herz eigentlich für den Gutsbesitzer Wilhelm von Minckwitz schlug, spielte hier, dem Standesunterschied und den väterlichen finanziellen Ambitionen geschuldet, keine Rolle. Nach zwei Jahren Ehe gab Johannas vor unglücklicher Liebe geschwächtes Herz auf und sie starb einen jungen Tod. Um die Schuldgefühle im nun gebrochenen Vaterherzen zu beruhigen, kaufte Seyfferth einige Wiesen und beauftragte den legendären Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenné, eine Parkanlage zu schaffen, die genauso viel Freude bringen sollte wie seine Tochter es zu Lebzeiten getan hatte. Der väterliche Versuch der Wiedergutmachung hielt bis zu seinem Tod 1881, als der Park in den Besitz der Stadt überging. Die Übergabe erfolgte mit der Bedingung, dass der Park für immer Johannas Namen tragen sollte und niemals überbaut werden dürfte. So existieren bis heute der damals entworfene Teich und das Wegesystem.
Das Rosental im Norden Leipzigs hätte heute dagegen beinahe komplett anders ausgesehen. Im 17. Jahrhundert wurde es an die Stadt verkauft, ein Handel, der August dem Starken, dem Enkel des Verkäufers, nur einige Jahre später missfiel. Sein Traum war die Errichtung eines elfachsigen Lustschlosses mit Barockgarten und dreizehn strahlenförmigen Schneisen. Die Stadt wehrte sich gegen dieses Unterfangen und am Ende eines zehn Jahre langen Streits musste sich August mit einem hölzernen Aussichtsturm zufriedengeben.
Nur zu oft verbergen sich hinter den Wiesen Leipzigs, den Wäldern und den stets neu aufblühenden Blumenbeeten Geschichten und sogar Dramen. Sie geben uns Einblicke in längst vergangene Jahrhunderte und zeigen die menschlichen Bewegungen, die Leipzig schon immer formen und gestalten.
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