Zwischen Trekkinghosen und Teleskopstöcken
24 Kilometer, ein kleiner Umweg (oder eine Abkürzung?) und Sonnenbrand im Nacken: Das ist die Bilanz der 7-Seen-Wanderung, zu der Redakteurin Hanna sich am Samstag aufmachte. Ein Erfahrungsbericht.
Samstagmorgen, 4:45 Uhr, mein Wecker klingelt. Warum zur Hölle wollte ich nochmal am Wochenende um diese unmenschliche Uhrzeit aufstehen? Achja, ich will 24 Kilometer wandern. Vergangenes Wochenende fand die 7-Seen-Wanderung statt. Aus 30 verschiedenen Wanderrouten, die von der Mondscheintour über Extremstrecken von über 100 Kilometern bis hin zu entspannten Spätstarter-Wanderungen reichen, habe ich mich für die Drei-Seen-Tour entschieden. Nach einem halbwachen Gang durch die Wohnung, bei dem ich alle Dinge in meinen Rucksack werfe, die ich bei dieser Unternehmung gebrauchen könnte, mache ich mich gemeinsam mit Fotografin Annika mit der Straßenbahn auf den Weg nach Markkleeberg. Dort angekommen treffen wir auf die ersten Mitstreiter. Muskulöse Waden in praktischen Trekkinghosen, Deuter-Rucksäcke, aus denen Stöcke herausschauen und Schläuche, von denen ich vermute, dass sie zu einer Trinkflasche führen und so für eine Erfrischung sorgen, ohne dass man dafür stoppen muss. Die Wandertruppe scheint nicht annähernd so müde zu sein wie wir, sondern plaudert fröhlich davon, wie die Strecke im letzten Jahr verlaufen ist und dass sie sich als Gruppe bereits zum fünften Mal angemeldet haben. Erste Feststellung des Tages: Wir sind hier die absoluten Amateure.
Mit dem Shuttle geht’s nach Lucka, wo die Drei-Seen-Tour startet. Dort erhalten wir eine Stempelkarte und die Anweisung, einfach den anderen zu folgen und auf Pfeile mit der Aufschrift „W21“ zu achten. Voll motiviert wandern wir los, finden sogar die anderen und auch die Pfeile, jedoch tragen diese die Nummer 3. Wir folgen ihnen trotzdem, frei nach dem Motto „wird schon stimmen“. Die Tour beginnt mit einem Weg durch verlassene Dörfer und führt dann durch Wiesen und Rapsfelder bis hin zum ersten Stopp am Haselbacher See. Wir haben mittlerweile beschlossen, dass die „3“ an den weißen Pfeilen für die Drei-Seen-Tour steht. Laut Streckenbeschreibung sollte der erste Stopp jedoch erst nach zwölf Kilometern kommen und wir fühlen uns so, als wären wir gerade erst gestartet. Gedanken daran, aus Versehen abgekürzt zu haben, schieben wir schnell beiseite und holen uns unseren ersten Stempel.
Nachdem wir uns mit Powerriegeln, Obst, Keksen und Brötchen gestärkt haben (ja, wir wollten früh Ballast loswerden), geht es weiter. Der nächste Stopp soll bereits nach vier Kilometern kommen und es soll Essen geben. Die Erwartungen sind hoch und die Motivation noch höher, jetzt wo wir wissen, dass wir bereits die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht haben. Entlang des Haselbacher Sees stoppen wir häufig, um die glitzernden Sonnenstrahlen auf dem türkis-blauen Wasser zu fotografieren und auch, weil wir mal verschnaufen müssen. Die übermotivierten Rucksack-Schlauch-Wanderer hetzen an uns vorbei. Die Strecke kommt uns schon weit mehr als vier Kilometer vor, die Magen knurren und wir sehnen uns nach dem nächsten Stopp, als wir auf zwei Frauen treffen, die voller Verwirrung und mit Schweißperlen auf der Stirn auf eine Karte blicken. „Seid ihr auch von der Tour?“, fragen sie und schnaufen erleichtert, als wir einstimmig nicken. „Das waren definitiv mehr als vier Kilometer, ich glaub’, wir sind falsch abgebogen“, merkt eine von ihnen an. Ein Radfahrer hält an und will uns helfen. Auf seinem Namensschild steht „Schlussfahrer“ und so wird uns einmal mehr unter die Nase gerieben, dass wir an diesem Tag als eine der Letzten ins Ziel laufen werden. Der freundliche Schlussfahrer ist sich selbst nicht so sicher, wo wir eigentlich gerade sind und wann der nächste Stopp mit dem ersehnten Essen kommt. Aber er will mit seinem Mountainbike voran fahren und es für uns herausfinden. Wir laufen also weiter und treffen auf die nächste aufgeregte Frauengruppe, die gerade per Smartphone checkt, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Der Schlussfahrer kommt zurück und verkündet: „Also jetzt haben wir ein richtiges Problem. Hier sind gar keine Pfeile mehr.“ Na toll, denke ich und frage mich, ob man in diesen Wald wohl ein Taxi bestellen kann. Wir entscheiden jedoch einstimmig, dass wir geradeaus laufen und erreichen dann auch irgendwann den nächsten Stopp. Dieser liegt direkt an einem Braunkohletagebau – herrliche Aussicht für eine Mittagspause. Das angebotene Essen, auf das wir so sehnlichst gewartet haben, besteht aus labbrigem Toastbrot wahlweise mit Nutella oder Schweineschmalz. Wir entscheiden uns, die Pause hier zu verkürzen und lieber noch mal an einem der nächsten Seen Halt zu machen.
Wir folgen weiter den weißen Pfeilen und laufen über Schotterwege entlang des Tagebaus. Die Strecke führt jetzt durch den Ort Neukieritzsch, der ebenso verlassen wirkt wie die Dörfer, die wir am Morgen durchquert haben. Mittlerweile werden die Beine müde und die ersten Blasen kündigen sich an den Fersen an. Als uns die Pfeile am Bahnhof der Stadt vorbei führen, an dem gerade eine S-Bahn nach Leipzig einfährt, ist die Verlockung groß, einfach einzusteigen. Doch wir wollen die 24 Kilometer heute schaffen und sind gespannt auf die nächsten zwei Seen, die uns die Streckenbeschreibung verspricht. Wenngleich wir uns auch wundern, wie diese in die nun noch verbleibenden zwei Kilometer der Strecke passen sollen. Schnell finden wir heraus, dass das zwar passt, wir den Haubitzer und den Hainer See jedoch nur aus der Ferne erahnen können.
In Kahnsdorf treffen wir kurz vor dem Ziel auf eine Hochzeitsgesellschaft. Wir müssen uns einmal durch Blühmchenkleider und Anzugträger hindurchdrängeln, um zum Zielstand der 7-Seen-Wanderung zu gelangen. Unsere verschwitzten und von der Sonne glühend-roten Gesichter ernten skeptische Blicke. Dann haben wir es geschafft und erhalten als Belohnung unsere Urkunden und Brezeln mit Käsedip. Im Shuttlebus zurück nach Markkleeberg fallen wir beide in einen ungemütlichen Schlaf, sodass uns am Ende des Tages nicht nur die Beine weh tun, sondern auch der Nacken schmerzt. Allen Strapazen zu trotz fahren wir mit dem Wissen nach Hause, dass man keine Schläuche, Stöcke oder Trekkinghosen benötigt, um eine Tour der 7-Seen-Wanderung zu bestreiten.
Fotos: Annika Seiferlein
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