„Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht“
Rupert Everetts Regiedebüt „The Happy Prince“ zeigt, was andere Filme über Oscar Wilde bisher nur dem Nachspann überließen.
Vieles wurde bereits geschrieben und gesagt über den großen Oscar Wilde. Das meiste wahrscheinlich von ihm selbst. Doch ein wichtiger Abschnitt seines Lebens ist bisher vom Filmscheinwerferlicht unbeleuchtet geblieben. So ist es seine Zeit im französischen Exil, nach seiner zweijährigen Inhaftierung wegen Homosexualität und genauer seine letzten Lebenstage, die der Film „The Happy Prince“ zur Grundlage hat. Durch seine Kunst und die Filme, die bereits über ihn gemacht wurden, kennt man Wilde vor allem als gewitzten, der Suche nach Schönheit verschriebenen, Lebemann. Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur Rupert Everett war es deshalb ein Bedürfnis ihn endlich auch als von Krankheit und nicht zuletzt von der Gesellschaft seiner Zeit geschundenen Menschen darzustellen.
Gerahmt durch die Erzählung das Märchens „The Happy Prince“, welches Wilde in einer Rückblende erst seinen zwei Söhnen und dann in der Gegenwart der Filmhandlung einem Stricherjungen und dessen kleinem Bruder erzählt, ist die Handlung wie ein letztes Aufbäumen auf dem Sterbebett, eine Revue dessen, was Wilde dorthin geführt hat. Immer wieder flackern Erinnerungen an die Zeit vor seinem tiefen Fall auf: an die Bewunderer, die Partys, die Kunst und die schönen jungen Männer. Seine Lebensrealität ist zu dem Versuch verkommen, sich zumindest ein wenig des Glanzes zurückzuholen. Doch der gealterte, kranke, trinkende Wilde kann nicht mehr auf Bühnen stehen, höchstens noch singend auf klapprigen Bartischen. Hier zeigt sich aber auch die Stärke dieses halb biografisch, halb fiktionalen Charakters. Egal wo und egal wann, er findet sein Publikum und Everett gelingt es, diese Höhen und den, auch nur für kurze Momente bestehenden, Triumph genauso stark und glaubwürdig zu spielen wie die zahllosen Tiefen.
Auch Colin Morgan in der Rolle von Wildes Liebhaber Alfred „Bosie“ Douglas, dessen Vater den Dichter ins Gefängnis gebracht hatte, sowie Colin Firth und Edwin Thomas in den Rollen seiner als letzte übrig gebliebenen Freunde, bringen den Nebenrollen Tiefe, die Everetts Leistung nur noch weiter untermalt. Kinematographisch ist „The Happy Prince“ zwar deutlich ein Erstlingswerk eines Schauspielers, der sich an der Regie versucht und man könnte der liebevollen Hommage, die eigentlich vor allem ehrliches Portrait zu sein versucht, auch Kitsch vorwerfen. Aber das könnte man schließlich auch Wilde selbst.
Bisher haben Filmemacher den Umstand, dass ein schillerndes Leben wie das von Oscar Wilde ein so tragisches und ungebührliches Ende fand, einer schriftlichen Erwähnung vor dem Abspann überlassen. „The Happy Prince“ aber lässt die Tragik nicht aus und zeigt so die melancholische Schönheit der Welt durch die Augen eines Mannes, dessen Schicksal, hätte er in einer anderen, toleranteren Zeit gelebt, ein völlig anderes gewesen wäre.
In den Kinos ab 24. Mai 2018
Fotos: Copyright 2018 Concorde Filmverleih GmbH
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