Eine Ode an den Zusammenhalt
Dass die Briten auch abseits von „Harry Potter“ und „Mr. Bean“ sehenswerte Filme produzieren, zeigt das Drama „Tanz ins Leben“ und steppt dabei die Dankbarkeit für unser Glück bis aufs Kinoparkett.
Nichts prägt uns so sehr wie unsere Familie. Wir können das im Jugendalter leugnen und uns vorerst distanzieren, aber auch wenn wir Freunde aussuchen können: Familie ist immer ein Teil von uns, ob nun im positiven oder negativen Sinne. Beispiel: Lange bestand mein gesamtes Film-Repertoire fast ausschließlich aus DVD-Abenden mit meinen Eltern. Und mein Papa mag britische Filme. Besonders wenn sie sich eben um die Generation drehen, der ich eigentlich nicht angehöre, sondern er. Erschreckend stellte ich jetzt fest, dass ich diese Filme nun auch mag. Denn es sind eben oft auch genau diese Filme, die es verstehen, den Zuschauer bis in Tiefste zu rühren. So auch das neue Drama „Tanz ins Leben“ mit Imelda Staunton, die selbst der jüngere Zuschauer dank ihrer einzigartigen Version der Professor Umbridge in den Harry-Potter-Filmen erkennt. Alles dreht sich um die (Achtung: Stereotyp „Briten“) etwas steife Lady Sandra Abbott, die durch den Seitensprung ihres reichen Mannes plötzlich nicht nur den gebohnerten Saal voller Tennistrophäen verliert, sondern auch den Boden unter ihren Füßen. Als sie daraufhin aber verzweifelt bei ihrer – wie sollte es anders sein – absolut gegensätzlichen, hippen Schwester Biff Unterschlupf sucht, beginnt genau dieser Boden plötzlich vor Aufregung zu beben wie nie zuvor.
Der Plot von „Tanz ins Leben“ wirkt zunächst altbekannt, auch die Schauspieler haben die Tage ihres Debüts tatsächlich längst hinter sich gelassen. Doch genau das ist es, was mich an diesem verregneten Montag zweimal zu Tränen rührt. Habe ich anfangs ständig dieses Falsche-Schlange-Lächeln à la Dolores Umbridge vor Augen, spielt sich Staunton dann förmlich automatisch in mein Herz. Und mit ihr eine Reihe weiterer brillanter Darsteller, welche die Protagonistin in der Seniorentanzgruppe ihrer Schwester kennenlernt. Ach richtig der Tanz, der kommt hier auch nicht zu kurz, deshalb ja der Titel. Denn dank Biff findet Sandra nicht nur ihre Freude am Leben, sondern auch die Freude am Tanzen wieder. Faszinierendes Bildmaterial bieten dabei vor allem die Original-Schauplätze, welche die Regisseure für den Quasi-Höhepunkt, einen Flashmob auf dem Londoner Picadilly Circus, gewählt haben. Hier wurden wirklich nicht einfach irgendwelche in die Jahre gekommenen Schauspieler zusammengesteckt, die ein bisschen über Herzschmerz jammern. Hier wurde wahre Choreografiearbeit geleistet, die die Füße bis in den Kinosaal derart zum Wippen bringt, dass einem glatt das Teaserheft zwischen die Reihen fällt – ein Glück, dass bei Pressevorführungen kaum Plätze besetzt sind.
Was nach dem großen Tanz mitten in der Londoner Weihnachtsmagie passiert, davon kann sich jeder selbst ein Bild machen. Oder auch nicht. Denn sicherlich muss man für derlei Filme gerne sein Herz öffnen und ein bisschen auf dieses wohlige Gefühl stehen, das sich auch immer einstellt, wenn man bei Oma zum Kaffeekränzchen zu Besuch ist. Da mag das ein oder andere Detail etwas in die Länge gezogen sein, doch schon bei der ersten Zeile des Abspanns vermisst man die etwas andere, unglaublich liebenswürdige Rentner-Crew auf der Leinwand. Weil sie sich schon nach knappen zwei Stunden wie Familie anfühlt. Und habe ich erwähnt, dass es eigentlich nichts Wichtigeres gibt als Familie? Und unsere wahre Familie tragen wir schließlich schon viel länger in unseren Herzen. Deshalb: Danke Papa und Mama. Für britische Filme, für Familie und für das Leben.
In den Kinos ab 31. Mai 2018
Titelbild: 1 eOne Germany;
Fotos: Wanda Visión
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