„Wenn die Parteivorsitzenden winken und alle klatschen“
An diesem Wochenende fand im Congress Center Leipzig der 6. Parteitag der Linkspartei statt. Wir haben mit vier jungen Delegierten gesprochen.
Aus fast allen Redebeiträgen des Parteitags der LINKEN am Wochenende in Leipzig ließ sich die Forderung nach Einheit und fairen Debatten vernehmen. Und dennoch ist es ein Vorsatz, der nur in Teilen umgesetzt wird. Der Streit um die migrationspolitische Ausrichtung, der die Linkspartei spätestens seit der Bundestagswahl auf Trab hält, vergiftet das Klima im Leipziger Congress Center. Festgemacht an Personalfragen, nämlich dem Konflikt zwischen Bundesvorsitzender Katja Kipping und Fraktionsvorsitzender Sahra Wagenknecht, gestaltet sich die Auseinandersetzung aufgeheizt und wenig sachlich. Frank Tempel, der knapp die Wahl zum Bundesgeschäftsführer verloren hat, merkt trefflich in seiner Kandidatenrede an: „Unser öffentliches Erscheinungsbild wird nicht durch den Erfolg, sondern durch den Streit geprägt.“
Schaut man sich unter den jüngeren Mitgliedern der Partei um, äußert sich Unzufriedenheit über diese Art des Diskurses. „Wir wollen weg von den Personalfragen und hin zu inhaltlichen Diskussionen“, meint Lars Hilbig, Delegierter und Mitglied der Parteiströmung der Emanzipatorischen Linken. „Das erinnert ja teilweise an Jubelpersertum, wenn die Parteivorsitzenden winken und alle klatschen.“ Auch Sarah Rambatz aus Hamburg, ebenfalls Mitglied der Emanzipatorischen Linken, möchte, dass man sich Inhalten zuwendet. „Es gibt sehr viele junge Neumitglieder in der Partei, deren Ideen diskutiert und eingebracht werden müssen“, sagt sie. Durch die Verjüngung der Partei sei es nun möglich, dass Menschen mit anders geprägter Biographie die Politik der Linkspartei mitgestalten können.
Dorothea Vogelsang aus Berlin ergänzt, dass gerade die Neumitglieder durch das Machtgeringe verwirrt seien. „Es macht mich traurig, dass es hier momentan nicht zu inhaltlichen, tiefen Debatten kommt, dass zwar vieles diskutiert wird, aber oberflächlich bleibt.“
Torge André Dermitzel aus Kiel, der auf dem Parteitag für die Wahl Kippings geworben hatte, ist allerdings der Meinung, dass es durchaus keine verschiedenen Lager gebe und vieles vor allem künstlich durch die Presse aufgebauscht sei. Am Samstag sagte er: „Bisher fasse ich die Diskussionen positiv auf, aber ich habe auch keinen Bock auf Streitereien.“ Insbesondere die klare Verabschiedung des Leitantrags der Parteiführung spreche für einen Zusammenhalt innerhalb der Partei.
Die jungen Delegierten sprechen Themen an, die auf dem Parteitag kaum Erwähnung finden. Demnach ist Hilbig und Rambatz die Digitalisierung besonders wichtig. „Prekarisierte Arbeit durch Digitalisierung wird in der Zukunft eine große Rolle spielen, und wir als Partei müssen eine Antwort darauf finden, wie wir damit umgehen wollen“, sagt Hilbig. Er plädiert für eine Revolution des Arbeitsbegriffs: „Arbeit kann nicht mehr wie noch bei Marx nur als Lohnarbeit definiert werden. Das beinhaltet auch andere Sachen, Arbeiten im Haus oder Kunst beispielsweise.“ Arbeit solle von der Partei nicht mehr als das absolute Heil angesehen werden, sondern auch kritisch gesehen und hinterfragt werden. „Wir müssen unseren Arbeitsfetisch ablegen“, ist sich auch Rambatz sicher.
Vogelsang liegt das Thema Ökologie am Herzen, wozu sie auch an einem Antrag mitgearbeitet hat. „Bisher ist es der Partei nicht gelungen, eine Verbindung zu Themen wie Ökologie und Digitalisierung zu schaffen“. So etwas wie ein Konflikt herrsche aber nicht zwischen den Generationen. Zumindest für ihren Berliner Verband stellt Vogelsang fest: „Jung und alt sprechen quasi andere Sprachen, aber sind geeint in den Visionen.“ Während die jungen Parteimitglieder einen pragmatischeren Ansatz verfolgten und Lust auf das Regieren hätten, würden die älteren Parteimitglieder eher sozialistisch denken und eine andere Wirtschaftsanalyse betreiben.
Immerhin erwähnt Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch am Samstagabend das Thema Digitalisierung, wenn auch nur am Rande und etwas lapidar: „Frei nach Lenin: Sozialismus ist Digitalisierung und Demokratisierung der gesamten Gesellschaft.“
Fotos: Gesine Münch
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