Bedeutung kennt kein Ablaufdatum
Das Drama „Vom Ende einer Geschichte“ stellt eindringlich die Frage nach Verantwortlichkeit für Ereignisse in unserer Vergangenheit und fragt nach dem limitierenden Ende einer Freundschaft.
„Wir leben in der Zeit. Sie trägt und sie prägt uns, aber ich hatte immer das Gefühl sie nicht recht zu verstehen“, sagt der Londoner Tony Webster aus dem Off zu Beginn des Films, als eine Sequenz von Fotos alter Schul- und Studienzeiten zusehen ist. Tony (Jim Broadbent) sitzt in seinem Geschäft für alte Polaroidkameras, als er ein Schreiben erhält, das den Nachlass der verstorbenen Mutter seiner ersten Freundin Veronica (Charlotte Rampling) regeln soll. Sie hat ihm ein Notizbuch von seinem alten Schulfreund Adrian vermacht, welches ihn an jenen Sommer erinnert, der ihn bis heute verfolgt. Einzig eine Seite erhält er aus dem Notizbuch, die eine mysteriöse Gleichung beinhaltet und eine Person namens „b“ aufführt. Für Tony beginnt eine Odyssee, die nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Tochter und Exfrau fast um den Verstand bringt.
Während Tony verzweifelt versucht an das in Veronicas Händen gehaltene Notizbuch zu kommen, ist seine Tochter erschüttert von der anstehenden Geburt ihres Kindes und der Trennung ihres Mannes. Auch seine Exfrau zieht sich zurück und so bleibt Tony alleine mit seinen Schulgefühlen und Erinnerungen. Trotz allem bemüht er sich um das Erbe Veronicas Mutter und springt über seinen Schatten, als er Jahrzehnte später vor ihrer Tür steht und wieder mit ihr spricht. Seine Bemühungen bleiben ohne Erfolg, denn Veronica verbrennt das Notizbuch und wendet sich von Tony ab. Dieser allerdings beginnt ein Mosaik aus Sequenzen seiner Schul- und anschließenden Studienzeit zusammenzusetzen und erfährt am Ende nicht nur, wer die mysteriöse Person „b“ ist, sondern auch was Verantwortlichkeit bedeutet, in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart.
„Vom Ende einer Geschichte“ ist ein zart plätschernder Film über die Folgen unseres Handels in der Vergangenheit und der Bewältigung von dessen Konsequenzen in unserem weiteren Leben. Er erzählt von einem dicht verwobenen Netz von Freundschaften, aus denen Liebschaften werden und die Freunde voneinander entfernen. Er erzählt von Betrug, Verrat und Suizid als Lösung, um mit einer selbstauferlegten Schuld leben zu können. Durch die Bilder aus Tonys Schul- und Studienzeit bekommt der Zuschauer ein Gefühl dafür, wie er und sein bester Freund Adrian aufgewachsen und erwachsen geworden sind und wie ihr Leben in London beziehungsweise Bristol verlief. Gleichzeitig erfährt man aber auch, wie schwer aushaltbar Veronica als Mensch und wie ungerecht und falsch ihre Familie und sie selber waren. Mit Jim Broadbent und Charlotte Rampling hat Regisseur Ritesh Batra den gleichnamigen Roman von Julian Barnes meisterhaft verfilmt. Leise und voller Poesie bewegt sich dieser Film zwischen genussvoller Ästhetik und luftanhaltender Dramatik, die nie erzwungen ist, sondern sich zwischen den Zeilen entwickelt. Batra schafft es eine Geschichte zu erzählen der man sich nicht entziehen kann und möchte. Sowohl London als Drehort, wie auch die Anlegung der Charaktere von Tony und Veronica machen „Vom Ende einer Geschichte“ zu einem zeitlosen Klassiker. Dieser Film schenkt seinen Zuschauern etwas Besonderes, nämlich die manchmal vergessene Erkenntnis, dass Bedeutung auch nach Jahrzehnten nicht verjährt.
In den Kinos ab: 14. Juni 2018
Fotos: Copyright Wild Bunch Distribution
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