Ich bin dann mal doof
Angewidert von der alljährlichen Urlaubswelle im Sommer, entschloss sich unser Autor seinem Ekel an diesem sonnigen Sonntag Luft zu machen.
Klar, der Sommer ist schön. Er hat aber wie alles im Leben auch seine Schattenseiten. Wie zum Beispiel sogenannte „Freunde“, die die eigenen Timelines verschiedener Social-Media-Kanäle mit Pool- und Strandfotos aus exotischen Orten unserer Welt zumüllen, während man selbst einigermaßen unerholt in Hörsälen oder Büros dahinvegetiert. Nicht umgeben von irgendeinem der drei Ozeane, sondern höchstens vom eigenen Schweiß der in Ritzen rutscht, die man zuvor gar nicht kannte. Die Intention solcher Bilder ist klar: Neid produzieren (in der deutschen Neidgesellschaft natürlich sehr einfach.)
Aber worauf soll man eigentlich neidisch sein? Wer sagt denn, dass man mit den richtigen Leuten in einem Schrebergarten mit Planschbecken nicht sehr viel mehr Spaß haben kann, als an so einem blöden weißen Traumstrand in La Réunion (gibt es wirklich). Wenn man zuhause ein langweiliger Spießer ist, dann ist man das auch in der Karibik. Kein obszön-kitschiges Filterfoto auf Instagram kann über geistige Leere und Leidenschaftslosigkeit hinwegtäuschen. Deinen Scheißcharakter nimmst du überall hin mit, egal ob du dich in Halle oder in Havanna über fehlenden Service und schlechtes Essen beschwerst.
Auch andere Reiseformen nerven. Neu im Trend: Pilgern. Danke, Hape Kerkeling! „Lecker Mittagessen“ als Königin Beatrix war ja lustig, aber das Buch hätte nicht sein müssen. Früher sind Kaiser barfuß nach Canossa gepilgert, um der Exkommunikation (Geschichts-LK’ler erinnern sich) durch den Papst zu entgehen. Heute geht es um Selbstfindung in schäbigen Hostels, die man sich mit 20 anderen teilen muss, die nicht mal wissen wer sie sind. Die Frage ist doch: Wenn man sich in einem Wald selber gefunden hat, warum kommt man zurück? Bleib doch da, du weißt doch jetzt, dass du ein vom Konsum gelangweilter Waldmensch bist. Warum kehrst du in deinen stupiden Büroalltag zurück? Weil so ganz ohne Handy dann doch scheiße ist. Sehr inkonsequent!
Auch anstrengend: Angebliche Weltverbesserer, die ihren Urlaub dazu nutzen, in Entwicklungsländern unschuldigen Kindern Unterricht zu geben, die aber leider den „Fehler“ machen, sich an den weißen Armuts- und Gewissenstouristen zu gewöhnen, bevor dieser nach sechs Wochen wieder in sein Luxusland zurückfliegt. Hilft das jemandem? Oder geht es nur darum, das Ego von europäischen Mittelstandskindern aufzupolieren? (Allein der Flug! Denkt denn jemals einer an die Ökobilanz?)
Kommt mir jetzt keiner mit Orgasmus, äh Erasmus (ja schlechter Wortwitz, is halt warm). Klar trägt das zur Völkerverständigung bei, aber in erster Linie auf einer etwas animalischeren Ebene, als von der EU Kommission gewünscht. Wenn ihr doch in den Urlaub fahren müsst, lasst wenigstens alle Daheimgebliebenen in Ruhe zu Hause die Sonne genießen. Aloha!
Foto: Pixabay
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