Warum der StuK besser ist als Tinder
Kolumnistin Anne war diese Woche nach längerer Zeit mal wieder im StuK und hat gemerkt, dass die 2010-Variante des Aufreißens immer noch funktioniert.
Meine Tinderstatistik ist ziemlich mau. In anderthalb Jahren habe ich es auf 184 Matches, 127 Chats und neun Tinderdates gebracht. Ich wüsste gerne, wie viele Gesichter ich mir angesehen habe. Gefühlsmäßig habe ich nur jeden 35.000. Kandidaten nach rechts gewischt. Wie viel Zeit also für fremde Leute draufgegangen ist… unverhältnismäßig. Ich kann auch nicht behaupten, dass es sich immer gelohnt hat. Einmal habe ich Ewigkeiten American Football im Fernsehen angeguckt, gar nicht verstanden, wie das Spiel funktioniert, fand es mega nervig, wollte aber aus Höflichkeit auch nicht sofort wieder gehen. Ein anderer Typ, Medizinstudent, hat mir so wertvolle Tipps gegeben wie „Pass auf, dass du kein Diabetes bekommst, soviel Apfelschorle wie du trinkst“. Wieder ein anderer hat beim Essen in der Mensa (generell nicht die coolste Tinderdate-Idee) die ganze Zeit übers Gewichtheben, proteinreiche Ernährung und Anabolika geredet. Ich glaube, ich sollte es ernsthaft überdenken, sportbegeisterte Leute nach rechts zu wischen.
Seit ein paar Monaten habe ich mein Profil deaktiviert (allerdings nicht gelöscht, ich kann mich wohl doch noch nicht ganz trennen) und gemerkt, dass es doch reicht, Leute retromäßig auf Partys anzusprechen. Außerdem kann man meistens von dem einen oder anderen Wingman aus der eigenen Gang profitieren. Okay, Spaß, wir sind ja nicht bei „How I Met Your Mother“.
Bei mir sind jedenfalls alle Geschichten, die beispielsweise mit „Einmal im StuK…“ beginnen, um Längen besser als die „Einmal bei Tinder…“-Geschichten. Zumindest hat mich im StuK noch nie jemand auf den hohen Zuckergehalt in Saft hingewiesen, sondern höchstens auf die Abwesenheit von Bier in meinem Glas. Außerdem sind Leute beeindruckter von einem Real-Life-Handstand als von einem Handstand-Foto – auch wenn es dafür einen „Lass das mal“-Hinweis von der Security gibt (heimlich sind die aber bestimmt auch beeindruckt). Und wenn man jemanden unsympathisch findet, dann muss man nicht aus Höflichkeit bleiben, weil man sich ja eh zufällig getroffen und nicht verabredet hat, sondern kann sich einfach weiter umsehen und innerlich beim Blick über die Tanzfläche nach links und rechts wischen. Denn wenn wir ehrlich sind: Generation Y kann gar nicht mehr anders, als neue Gesichter wie Tinder-Profile zu bewerten. Nur an die Infos kommt man natürlich nicht mehr mit einem Klick. Aber ist eigentlich auch egal, schließlich sehe ich auch so, wie groß Leute ungefähr sind. Viel mehr geben die meisten Profile ja sowieso nicht her.
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