Grüner Pfeil, der ist geil
Kolumnistin Pauline hat nach fünf Jahren, vier praktischen Prüfungen und drei Fahrschulen endlich ihren Führerschein – eine Ode an ihre Fahrlehrer.
Als ich 17 Jahre alt war, prophezeite mir ein Freund: „In zehn Jahren fährst du mit dem Auto zur Masterzeugnisvergabe. Alle werden jubeln und klatschen – aber nicht, weil dein Abschluss so gut ist, sondern weil du endlich deinen Führerschein hast.“ Inzwischen bin ich 23 Jahre alt, werde bald mein Bachelorzeugnis in den Händen halten und habe tatsächlich meinen Führerschein. Erleichterung und Freude sind groß, aber der Weg zu dem begehrten rosafarbenen Zettel war lang.
An drei verschiedenen Orten habe ich eine praktische Prüfung abgelegt: die erste in einer namen- und bedeutungslosen Kleinstadt, zwei weitere in Lüneburg und die letzte in Leipzig. Ich habe mir bei Nebel Fahrlehrersprüche anhören müssen („Sicht weg – Gas weg!“), an heißen Sommertagen und manchmal auch bei schönem Wetter. An jeder Ampel hieß es „Halten heißt schalten“ und an jeder zweiten „Grüner Pfeil, der ist geil!“.
Ich bin keine schlechte Autofahrerin, sicherlich auch keine gute, aber eine passable. Ich scheitere nur an den Umständen. Warum sonst haben Menschen mit 100 IQ-Punkten und genauso vielen Fahrstunden weniger die Prüfung auf Anhieb bestanden? Ich habe diesen Wunderkindern aber auch etwas voraus: Ich könnte ein Buch über menschliche Abgründe, über die verschiedenen Ausprägungen des Fahrlehrers – insbesondere in der Kleinstadt – schreiben.
Es gibt den Typus Grabscher, der beim Autofahren nicht nur vom Sex mit seiner Frau erzählt (anscheinend sehr gut, zumindest für ihn), sondern auch ungefragt meinen verspannten Nacken massiert. Ähnlich unangenehm ist der Typus Echter Mann, der in Afrika Löwen schießen war und im väterlichen Tonfall erklärt, meine Probleme beim Einparken hingen nur mit meinem Geschlecht zusammen – wenn das so ist, kann dann bitte meine vorletzte Prüfung rückwirkend als „bestanden“ anerkannt werden?
Begegnet bin ich auch dem Abhängigen, der beim Rauchen keine Rücksicht auf meine zarte, damals minderjährige Lunge nahm und weit mehr Nasenspray als die empfohlene Tagesdosis benötigte. Ebenfalls berühmt-berüchtigt: „Ich bin kein Rassist, aber es sind immer die Ausländer, die zu schnell fahren.“ Und klassisch, weil aus keiner Fahrschule wegzudenken: der Schreihals, der sich über Einparken, Ausparken, Abbremsen und Gas geben aufregt, bis einer heult – leider selten er selbst.
Manchmal träume ich davon, nach meinem Masterabschluss all diese Probleme anzugehen und meine eigene Fahrschule zu gründen. „Pauline fährt“ werde ich meine umweltfreundlich-feministische Fahrschule mit Niveau nennen. Meine Fahrlehrer sind keine umgeschulten LKW-Fahrer, sondern gescheiterte Geisteswissenschaftler, die keinen Platz im Taxischeinkurs bekommen haben. Während man sinnvolle Ziele wie Klavier- oder Schulunterricht ansteuert, erläutern sie soziologische Texte und empfehlen Theaterstücke oder Bücher. Sehr wichtig ist mir auch die eigenständige Auswahl eines Radiosenders. Niemand sollte dazu gezwungen werden, dreimal stündlich „One kiss is all it takes fallin‘ in love with me“ zu hören.
Fahrstunden waren für mich ein Einblick in eine Machowelt mit schlechter Musik und noch schlechteren Sprüchen – eine Welt, in der für mich nur Scheitern möglich war. Dieser bin ich nun endlich entkommen, auch wenn mich der Spruch mit dem grünen Pfeil auf meinen weiteren Fahrten durch die Prüfungsgebiete vieler gequälter Fahrschüler stets begleiten wird.
Titelfoto: Pixabay
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